Eine Karnevalsnäherei für arbeitslose Frauen

Mit Kostümen zu neuen Talenten

Mit Weiberfastnacht ist der Straßenkarneval in vollem Gang. Und Köln und Karneval, das gehört zusammen. In der Näherei "casa blanca" vom Sozialdienst katholischer Frauen stellen langzeitarbeitslose Frauen individuelle Kostüme her.

Autor/in:
Anna Fries
Karnevalsnäherei "casa blanca" / © Harald Oppitz (KNA)
Karnevalsnäherei "casa blanca" / © Harald Oppitz ( KNA )

Die fünfte Jahreszeit hat längst begonnen – und mancher Jeck fragt sich vielleicht dennoch: "Was soll ich anziehen?" Hexe, Pirat oder Matrose, die Standardkostüme tummeln sich an den närrischen Tagen an jeder Ecke. Wer auf der Suche nach einem Einzelstück ist, wird bei der Kölner Näherei "casa blanca" fündig.

Rund 160 Kostüme stellt die Näherei pro Jahr her, dazu Kappen, Handpuppen und Taschen. Zudem gibt es eine Sonderedition "Nubbel", menschengroße Strohfiguren, die am Vorabend von Aschermittwoch als personifizierte Sündenböcke vor Kneipen verbrannt werden. Das Besondere an "casa blanca": Alle Kostüme werden von langzeitarbeitslosen Frauen hergestellt - als sogenannte Upcycling-Produkte aus gespendeten Kleidungsstücken.

Umgang mit Nähmaschine und ein fester Tagesablauf

"Wenn ich nähe, lasse ich alle Sorgen zu Hause", sagt eine Näherin. Vor ihr liegen bunte Stoffquadrate, die sie aus gespendeten Stoffen ausgeschnitten hat und zu einer Flickendecke zusammennäht. Für die Kostüme wird die Decke weiterverarbeitet und mit Krawatten, Blazern oder Rockteilen kombiniert.

Die Näherei von "casa blanca"-Dienstleistungen bietet 20 Plätze für Frauen, die Probleme haben, eine Arbeit und gesellschaftlichen Anschluss zu finden. Träger ist der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF). Als "Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung" erhalten die Näherinnen 1,30 Euro pro Stunde. Unter Anleitung einer Kostümbildnerin lernen sie mit einer Nähmaschine umzugehen und einen festen Tagesablauf einzuhalten.

"Bügeln beruhigt"

Die Initiative soll sie für den Arbeitsmarkt fit machen. Leiterin Nina Rüther klärt am Anfang mit ihnen: "Was will die Frau hier erreichen?" Neben dem Handwerk lernen die Frauen Kompetenzen wie Pünktlichkeit und Teamarbeit. "Die Atmosphäre hier ist toll", findet Leila. Jede helfe der anderen. Aktuell arbeitet sie an den Henkeln für eine Tasche. "Meine Lieblingsbeschäftigung ist aber Bügeln", sagt sie. "Das beruhigt."

Die Näherinnen bei "casa blanca" sind zwischen 19 und 63 Jahre alt. Der Arbeitsmarkt ist vor allem für die Jüngeren interessant. Dennoch ist das Angebot auch für die Älteren wichtig - um "nicht zu Hause zu vereinsamen", wie Rüther erklärt. Und um über die Tätigkeit Anerkennung und Abstand zum Alltag zu gewinnen.

"Eine Stunde zu früh"

Viele der Frauen sind alleinerziehend, manche haben psychische oder gesundheitliche Probleme. Auch Armut, Schulden und soziale Ausgrenzung spielen eine Rolle. Birgit Kreusch vom Sozialdienst spricht mit den Frauen aber nicht nur über Probleme, sondern auch über Fähigkeiten - von denen sie selbst oft gar nichts wissen.

"Am ersten Tag war ich eine Stunde zu früh hier," erzählt Ute. Sie habe vor der Nähmaschine gesessen und nicht einmal gewusst, wie eingefädelt werde. Inzwischen gehe das wie von selbst. "Und wenn ich etwas nicht weiß, frage ich einfach." Zu Weihnachten hat sie eine eigene Nähmaschine geschenkt bekommen und näht jetzt auch in ihrer Freizeit.

Selbstbewusstsein tanken an der Nähmaschine

Selbstbewusstsein aufzubauen ist ein wesentlicher Teil von "casa blanca". "Den Erfolg der Arbeit zu sehen, ist für die Frauen sehr wichtig", sagt Kreusch. Die Produkte können sich sehen lassen. Ein Kostüm kostet zwischen 15 und 195 Euro. Die Kunden kommen aus der ganzen Region.

Einmal im Jahr präsentieren die Näherinnen ihre Werke bei einer Modenschau vor rund 200 Zuschauern. Der Auftritt ist für viele Motivation und Horrorvorstellung zugleich. Zu sagen "ich ziehe mir ein Kostüm an und rock die Bühne" - das brauche Mut und Training, so Rüther. Einfacher ist die öffentliche Vorstellung der Kostümauswahl in einem mobilen Schrank. In diesem Jahr wurde er erstmals aufgestellt, im Vorraum einer Bank und eines Verlages sowie im Domforum.

Bis zu drei Jahre können die Frauen bei "casa blanca" bleiben. Manche machen danach eine Ausbildung oder Therapie, andere finden Arbeit, und "einige wollen sogar zurück in die Schule", sagt Rüther. Der Anschluss an den Arbeitsmarkt ist dennoch nicht einfach. Denn letztlich ist "casa blanca" ein geschützter Raum. Es sei schon viel gewonnen, wenn die Frauen in dieser Zeit «innerlich wachsen» und Perspektiven entwickelten.


Stoffe müssen ausgesucht werden  / © Harald Oppitz (KNA)
Stoffe müssen ausgesucht werden / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Jacke ist fast fertig  / © Harald Oppitz (KNA)
Die Jacke ist fast fertig / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA