"Die Hinwendung zu Gott durch Verzicht ist eine Grundhaltung religiöser Menschen", sagt Thomas Lemmen, Theologe, Islamwissenschaftler und Referent im Fachbereich Dialog im Erzbistum Köln. Die Fastenzeit ist somit mehr als nur der bloße Verzicht auf Lebensmittel.
Fasten im Mittelalter
Was viele nicht wissen: Die Fastenzeit war früher viel strenger als heute. Im Mittelalter wurde nicht nur an den 40 Tagen vor Ostern, sondern auch 40 Tage vor Weihnachten sowie jeden Mittwoch und Freitag gefastet. Und da galt: Kein Fleisch, keine Eier, keine Milch.
Wie die Menschen damals gekocht haben, um die vielen Regeln zu umgehen, weiß Claudia Zimmermann, die Rezepte aus dem Mittelalter nachkocht: "Die Vorgabe war der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel und nicht der Verzicht auf das Sattwerden." Und beim Sattwerden zur Fastenzeit spielte die Mandelmilch eine wichtige Rolle.
Inspiration von Hildegard von Bingen
Viele Klöster und Heilzentren bieten Fastenkurse nach den Regeln von Hildegard von Bingen an. Auch Schwester Hiltrud Gutjahr hat sich von der Mystikerinan inspirieren lassen: "Der Mensch soll in sein Maß kommen und sich immer mehr erkennen". Wie ein solcher Kurs aussieht und ob die Umsetzung im Selbstexperiment gelingt, kann auf den DOMRADIO.DE-Kanälen auf Instagram und Facebook verfolgt werden.
Fastenzeit in der katholischen Kirche
Auch der interreligiöse Blick auf das Fasten erweitert die Perspektiven. Im Gespräch mit einer Jüdin, einer Muslima und einer Christin fallen Unterschiede und Gemeinsamkeiten auf.
Im Vergleich zum Ramadan scheint die katholische Kirche zum Beispiel deutlich lockerer zu sein. Jeder verzichtet, worauf er möchte. Oder man macht es ganz anders, wie Miriam Pawlak, Bibelreferentin im Erzbistum Köln, es beschreibt: "Der Trend geht momentan weg vom Weniger zum Mehr. Das heißt, es wird viel mehr in Quality Time investiert, zum Beispiel mit der Familie oder eben auch mit Freunden.“ Diese Freiheiten lassen sich laut der Bibelreferentin auch aus dem Lukasevangelium vom 1. Fastensonntag herauslesen (Lukas 4, 1-13).
Auch die Liturgie ist in der Fastenzeit besonders, weiß Prof. Alexander Saberschinsky zu berichten. "Offiziell heißt das Ding gar nicht Fastenzeit, sondern österliche Bußzeit", erinnert er.
Neue Perspektiven auf die Fastenzeit
Die unterschiedlichen Blickwinkel auf die Fastenzeit sollen zum Nachdenken über die Ursprünge der Bußzeit anregen, die im Trott des Alltags oft verloren gehen. Darüber hinaus geht es auch darum, dass die Fastenzeit weit über das Osterfest hinauswirkt.