Missbrauchsbetroffene in NRW fordern höhere Kirchenzahlungen

Summen von bis zu 400.000 Euro

Vertreter von Betroffenen sexualisierter Gewalt aus den fünf nordrhein-westfälischen Bistümern fordern von der katholischen Kirche höhere Zahlungen an Missbrauchsopfer. Anlass ist das Urteil des Kölner Landgerichts von voriger Woche.

Symbolbild Geld und Kirche / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Geld und Kirche / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Das Kölner Urteil hatte einem missbrauchten früheren Messdiener die bislang höchste Schmerzensgeldsumme von 300.000 Euro zugesprochen.

Erzbistum Köln muss 300.000 Euro an Missbrauchsopfer zahlen

Das Erzbistum Köln muss 300.000 Euro Schadensersatz an einen Missbrauchsbetroffenen zahlen. Das entschied das Landgericht Köln.

Der Betroffene hatte 725.000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden verlangt. Er hatte bereits 25.000 Euro von der Diözese in Anerkennung seines Leids erhalten. Bei einem ersten Verhandlungstermin Anfang Dezember hatte Richter Stephan Singbartl einen Vergleich vorgeschlagen. Es kam jedoch nicht zu einer Einigung. Der Prozess könnte Vorbildcharakter für weitere Schmerzensgeldklagen gegen die katholische Kirche haben.

Richterhammer mit Rosenkranz / © Jiri Hera (shutterstock)
Richterhammer mit Rosenkranz / © Jiri Hera ( shutterstock )

Für ihr eigenes Zahlungssystem sollte die Kirche eine Spanne von 10.000 bis 400.000 Euro zugrunde legen, forderten die NRW-Betroffenenbeiräte und -vertreter aus den Bistümern Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn am Mittwochabend in Paderborn nach einer gemeinsamen Tagung.

Ruf nach "Aufwachen" der Kirche

Weiter wurde verlangt, dass die Kirche alle bisher geleisteten Zahlungen überprüfe und den neuen Gegebenheiten anpasse.

Nach dem Kölner Urteil stelle sich die Frage, "warum die katholische Kirche nicht aufwacht, warum sie sich immer noch in einem Zustand befindet, in dem sie die Dinge auf sich zukommen lässt anstatt selbst aktiv zu werden".

Eigene Einsicht statt Zwang 

Weiter betonen die Betroffenen: "Es würde der katholischen Kirche gut zu Gesicht stehen, wenn sie in dieser Sache von sich aus Einsicht zeigt und nicht erst durch Gerichtsurteile zu angemessenen Zahlungen verpflichtet wird."

In dem kircheninternen System hatte der Missbrauchsbetroffene 25.000 Euro erhalten.

Vor Gericht forderte er von der Kölner Erzdiözese 725.000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden.

Offenheit für höhere Zahlungen

Das Urteil, das ihm 300.000 Euro zusprach, ist noch nicht rechtskräftig.

Die Darlegung des Klägers, 320 mal von einem Priester missbraucht worden zu sein, hatte das Erzbistum nicht bestritten und auch darauf verzichtet, eine Verjährung zu beanspruchen.

Nach dem Schmerzensgeldurteil zeigte sich die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA), die seit 2021 über die Höhe der kirchlichen Zahlungen in Anerkennung des Leids befindet, offen für höhere Summen. Voraussetzung sei allerdings, dass das Kölner Urteil rechtskräftig werde.

Karte der Orte sexuellen Missbrauchs in der Kirche

Die Betroffenenvertreter kündigten zudem an, eine digitale Karte schaffen zu wollen, auf der bisher bekannte Orte sexuellen Missbrauchs in der Kirche verzeichnet sind.

Dazu sollten die fünf NRW-Bistümer alle ihnen bekannten Tatorte den Betroffenenbeiräten und -vertretern benennen.

Chronik der Missbrauchs-Aufarbeitung bundesweit und in Freiburg

Januar 2010: Der Jesuit Klaus Mertes macht öffentlich, dass es an seiner Schule in Berlin sexualisierte Gewalt und Missbrauch gab - und die Fälle lange verschleiert wurden. Der Skandal löst eine Welle von Enthüllungen in der Kirche und in anderen Institutionen aus.

Februar 2010: Die katholischen Bischöfe bitten bei ihrer Vollversammlung in Freiburg um Entschuldigung. Ein Sonderbeauftragter (Bischof Stephan Ackermann aus Trier) wird benannt, eine Hotline für Betroffene eingerichtet.

Blick auf ein Wandkreuz während der Vorstellung des Missbrauchsgutachtens im Erzbistum München und Freising / © Sven Hoppe (dpa)
Blick auf ein Wandkreuz während der Vorstellung des Missbrauchsgutachtens im Erzbistum München und Freising / © Sven Hoppe ( dpa )
Quelle:
KNA