Missbrauchsbeauftragte will Betroffenenrat in Bundesländern

Mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft

Die neue Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, wünscht sich mehr Aufmerksamkeit für das Thema sexualisierte Gewalt auch in den Bundesländern. Zudem übt Claus Kritik an den Zahlen aus der Kriminalstatistik.

Kerstin Claus / © Birgit Wilke (KNA)
Kerstin Claus / © Birgit Wilke ( KNA )

Bisher werde in der deutschen Gesellschaft zu wenig über Missbrauch gesprochen, sagte Kerstin Claus den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag): "Daher brauchen wir auch in allen Bundesländern einen Betroffenenrat, nicht nur auf Bundesebene."

Ein Betroffenenrat sei mindestens genauso wichtig wie die Landesmissbrauchsbeauftragten. Betroffene würden eine spezielle Expertise mitbringen - etwa über Täterstrategien, notwendige Hilfe und kindgerechte Verfahren - und wüssten, wie eine medizinische Grundversorgung organisiert sein sollte: "Ich gebe ein Beispiel: Missbrauch hat etwas mit Körperöffnungen zu tun, von daher ist auch ein Zahnarztbesuch für Betroffene mitunter eine Herausforderung, weswegen traumasensibler Umgang auch medizinisch ein komplexes Thema ist."

Es gebe eine hohe Zahl von betroffenen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und Jugend sexuelle Gewalt erlebt haben, fügte Claus hinzu: "Es gibt eine Kultur des Missbrauchs in Deutschland und die zieht sich über Jahrzehnte. Früher noch unsichtbarer als heute."

Kritik an Zahlen aus Kriminalstatistik

Die neue Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung kritisiert die zuletzt vorgestellten Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik zu sexueller Gewalt gegen Kinder als "regelrecht verharmlosend". Kerstin Claus sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag): "Diese Zahlen klingen gewaltig, bilden aber tatsächlich nicht annähernd das wahre Ausmaß sexueller Gewalt ab."

Laut Ermittlungsbehörden wurden im vergangenen Jahr 49 Kinder pro Tag Opfer sexualisierter Gewalt. Demnach wurden 17.704 unter 14-Jährige 2021 Opfer von Missbrauch. 2.281 von ihnen waren jünger als sechs Jahre.

Die meisten dieser Kinder würden nicht einmal missbraucht, sondern mehrfach, über Monate, manchmal Jahre, fügte Claus an. Die Statistik weise sie aber nur einmal als "Fall" aus. Außerdem bilde sie auch nur die der Polizei angezeigten Fälle ab, das sogenannte Hellfeld.

Bei ihrem Amtsantritt hatte Kerstin Claus zur Erforschung der Dunkelziffer die Einrichtung eines eigenen Kompetenzzentrums gefordert. Von der Ampel-Koalition habe sie aber bisher keine Zusage dafür erhalten. Die Mittel für die Studie seien zwar im Haushalt 2023 angemeldet, eine Zusage zumindest für das Aufbaubudget von 400.000 Euro gebe es aber noch nicht. "Die Politik muss sich jetzt dazu verabreden, dass wir die Dunkelziffer regelmäßig erheben", forderte Claus. Mit ersten Ergebnissen zur tatsächlichen Dunkelziffer des sexuellen Kindesmissbrauchs rechne sie frühestens im Jahr 2025.

Quelle:
KNA
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