Militärbischof Overbeck über die Woche der Begegnung katholischer Soldaten

"Ethische Kriterien müssen höchsten Maßstäben genügen"

Jeder vierte Bundeswehrangehörige gehört der katholischen Kirche an. In diesen Tagen findet in Berlin die 52. "Woche der Begegnung" der katholischen Soldaten unter dem Motto "Kirche unter Soldaten - Verantwortung durch Gottvertrauen" statt. Themen sind unter anderem die ethischen Perspektiven, die sich heute aus der Verantwortung der Bundeswehr ergeben. Im domradio.de-Interview spricht Militärbischof Franz Josef Overbeck über die Problematik posttraumatischer Belastungsstörungen unter Soldaten und des Einsatzes unbemannter Drohnen.

 (DR)

domradio.de: Gestern war 11. September, ein einschneidendes Datum für die Welt, auch militärisch gesehen. Die Terroranschläge in den USA wurden als Begründung für die Kriege in Afghanistan und im Irak herangezogen. Im Nachhinein betrachtet: War die Begründung für das militärische Eingreifen in den beiden Ländern richtig?

Bischof Overbeck: Das ist in der Tat ein weltgeschichtliches Datum, das gezeigt hat, dass Terrorismus viele Menschen auf unterschiedliche Weise bedrängen und verfolgen kann. Und zwar auf eine ganz neue Weise, die sich nicht mehr durch Rechtstaatlichkeit eingrenzen lässt. Darauf zu reagieren war für die USA staatspolitisch nötig und notwendig. Mit dem Abstand von 11 Jahren betrachte ich diesen Einsatz als kritisch. Das betrifft vor allen Dingen die Frage, was das religiös und kulturell heißt im Blick auf die Gemeinschaft der Menschen, die dort in Afghanistan zusammenleben, die ja nicht ein einfaches Staatengebilde darstellen. Schließlich ist die Perspektive der politischen Verantwortung, die auf der ganzen Weltgemeinschaft liegt, so schwierig zu beantworten, dass aus einem solchen Einsatz viele kritische Rückfragen zu schließen sind.



domradio.de: Sie als Militärbischof sind vor allem mit Fragen der Seelsorge beschäftigt. Immer wieder wird über die Nachsorge für traumatisierte Afghanistan-Veteranen berichtet. Wird ihrer Meinung nach genug getan in der Bundeswehr, um die seelischen Leiden der Soldaten zu mindern?

Bischof Overbeck: Auch das ist eine immense Lerngeschichte, wo ich feststellen kann, dass mir die Seelsorgerinnen und Seelsorger aber auch das Militärbischofsamt sagen: Die Bundeswehr selbst tut immens mehr in den letzten Zeiten, weil sie weiß, wie schwierig es ist, wenn Menschen mit Traumata nach Hause zurückkehren. Wir selber in ökumenischer Verbundenheit und Verantwortung mit der evangelischen Kirche leisten unseren Teil auch dazu und sorgen mit dafür, dass es eine ordentliche Begleitung gibt, die die vielen Perspektiven, die mit solchen Erlebnissen und ihrer Verarbeitung zusammenhängen, in den Blick nehmen. D.h. eben die seelsorgerischen, religiösen, aber auch die therapeutischen. Ich habe den Eindruck, dass da viel getan wird, und dass auf diese Weise vielen geholfen wird. Und zwar nicht nur den betroffenen Soldatinnen und Soldaten, sondern auch dem Umfeld, sprich den Ehefrauen und Ehemännern und Kindern, Freunden und allen die sonst dazu gehören.  



domradio.de: Derzeit wird auch darüber debattiert, ob die Bundeswehr bewaffnete Drohnen kaufen sollte. Welche Meinung vertreten Sie in dieser Frage?

Bischof Overbeck: Waffen selbst unterliegen immer einem hohen Verantwortungsethos wenn sie benutzt werden sollen. Und in diesen Zusammenhang gehören auch die Drohnen. Das weckt die Verantwortung, den Einsatz der Drohnen sehr sorgfältig und hochkritisch zu prüfen. Waffen dürfen nur eingesetzt werden im Verteidigunsfall oder um Schaden von anderen abzuhalten. Insofern sind die unbemannten, bewaffneten Drohnen eine große ethische Herausforderung an diejenigen, die ihren Einsatz zu verantworten haben. Die ethischen Kriterien müssen höchsten Maßstäben genügen, da die Würde des Menschen unbedingt geachtet werden muss.



domradio.de: Was erhoffen Sie sich von der "Woche der Begegnung", die gerade in Berlin stattfindet und bei der Sie sich u.a. mit der Bundeskonferenz der Gemeinschaft Katholischer Soldaten austauschen?

Bischof Overbeck: Diese Woche hat verschiedene Perspektiven. Die erste war die des Zusammentreffens mit dem Laienapostulat, also mit den vielen, die in den Gemeinderäten und sonstigen Laienorganisationen unseres katholischen Militärbischofsamtes ihren Dienst tun. Dabei ging es auch um einen Strategieprozess, den ich zusammen mit meinem Militärgeneralvikar auf den Weg gebracht habe, um die Seelsorge den heutigen Verhältnissen mehr anzupassen. Das ist auf einem guten Weg. Gleichzeitig ist es auch immer ein wichtiges Austauschgremium, das auf diese Weise einander an den Erfahrungen und Erlebnissen der vergangenen Zeit Anteil nehmen lässt.  Die GKS beschäftigt sich noch einmal sehr mit den ethischen Perspektiven, die sich heute ergeben aus der Verantwortung der Bundeswehr. Das gehört zur ethischen Bildung in den Streitkräften, die wir nach unseren Möglichkeiten unterstützen und wo wir gerade in der katholischen Kirche aus einem reichen Fundus an Reflexion und Erfahrung schöpfen können.



Das Interview führte Christian Schlegel.



Hintergrund

Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck hat seine kritische Einschätzung von Kampfdrohnen bekräftigt. Der Einsatz der ferngesteuerten bewaffneten Flugkörper erhöhe die Gefahr, dass unbeteiligte Zivilisten getroffen würden, warnte Overbeck am Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Wenn sich die Bundesregierung dafür entscheide, solche Waffen anzuschaffen, müsse sie "auf hohem ethischen Niveau prüfen", wann und wie sie diese einsetzen wolle.



Die US-Streitkräfte verwenden Kampfdrohnen zunehmend in Anti-Terror-Einsätzen etwa in Afghanistan. Overbeck forderte, auch im Kampf gegen den Terror müssten die Menschenrechte geachtet werden. "Auch der Terrorist hat eine Menschenwürde, die ihm niemand nehmen darf", betonte der Essener Bischof. Er beklagte zugleich, die religiösen und kulturellen Wurzeln in vielen internationalen Konflikten wie in Afghanistan würden zuwenig beachtet. Solche Konflikte ließen sich jedoch nicht nur politisch und militärisch lösen.



Auch der Vorsitzende des Katholikenrats beim Militärbischof, Oberstleutnant Thomas Aßmuth, äußerte sich kritisch zu Plänen der Bundesregierung, die Bundeswehr mit Kampfdrohnen auszustatten. Die katholischen Soldaten hätten sich gewünscht, "dass über einen solchen Schritt länger nachgedacht wird", sagte Aßmuth. Die zunehmende elektronische Kriegführung sei "eine Entwicklung, die uns mit Sorge umtreibt".



Aßmuth nahm auch zur ebenfalls umstrittenen Frage von Waffenverkäufen ins Ausland Stellung. Diese dürften nur nach ethischen Grundsätzen und mit "vernünftigem Weitblick" erfolgen. Wirtschaftliche Motive dürften nicht ausschlaggebend sein. Aßmuth kündigte an, die katholischen Soldaten wollten eigene Prüfkataloge entwickeln, unter welchen Bedingungen sie Waffenverkäufen zustimmen könnten.



Overbeck und Aßmuth äußerten sich bei der 52. "Woche der Begegnung" der katholischen Soldaten. Diese findet unter dem Leitthema "Kirche unter Soldaten - Verantwortung durch Gottvertrauen" vom 9. bis 14. September in Berlin-Steglitz mit Vollversammlung des Katholikenrates beim Katholischen Militärbischof (KR) und Bundeskonferenz der Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) statt.

(kna)