Milchstreit führt nun zu ersten Engpässen - Milchindustrie will vor Gericht

Droht nun Klage?

Die Milchindustrie droht den protestierenden Bauern mit Klagen. "Die Boykotte sind illegal. Und Illegales muss man mit dem Gesetz bekämpfen", sagte Eberhard Hetzner, Geschäftsführer des Milchindustrie-Verbandes MIV der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Der Verband werde seinen Mitgliedern empfehlen, juristisch gegen Boykotte vorzugehen. Am Montag hatten Milchbauern erstmals auch in NRW fast alle Molkereien blockiert.

 (DR)

Dies, obwohl der Milchbauernverband in Westfalen-Lippe dazu aufgerufen hatte, Boykotte von Molkereien zu beenden. Dauern die Boykotte an, werde es in NRW "in zwei Tagen leere Kühlregale" geben, sagte Gerd Krewer, Sprecher der Landesvereinigung Milchwirtschaft NRW. Bisher hatten Industrie und Handel solche Engpässe bestritten.

Vertreter der Milchverarbeiter rechnen damit, dass dem deutschen Handel bereits Dienstag oder spätestens Mittwoch die Milch ausgehen wird. «Dann ist Schicht. Es gibt Lieferengpässe, und die nehmen stündlich zu», sagte Eckhard Heuser, Geschäftsführer des Milchindustrie-Verbands (MIV), der «Financial Times Deutschland». Dies betreffe sowohl frische Milch als auch H-Milch. Der MIV vertritt Milchverarbeiter wie etwa Nordmilch oder Humana, die von den Lieferungen der Milchbauern abhängig sind.

In der Branche wird erwartet, dass die Milchbauern nach ihren bisherigen Protestaktionen bei Molkereien nun auch die Einzelhändler ins Visier nehmen. In den kommenden Tagen könnten auch die Großlager des Handels von Blockaden betroffen sein, hieß es. Das würde die Versorgungslage abermals verschärfen.

Bei den Gesprächen mit dem Einzelhandel am Montagabend sollte es nach Angaben des Vorsitzenden des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), Romuald Schaber, um die Auflösung von im April abgeschlossenen Verträgen gehen. Diese sollten neu verhandelt werden. Der BDM fordert statt der derzeit pro Liter Milch gezahlten 27 bis 35 Cent mindestens 43 Cent. Dies sei ein absolutes Muss, bekräftigte Schaber in mehreren Interviews.

Gleichzeitig kündigte Schaber an, den bundesweiten unbefristeten Lieferboykott fortsetzen zu wollen. Derzeit sei davon auszugehen, «dass es in den Kühlregalen wirklich knapp wird».

Im Rahmen eines Aktionstages der Bauern versammelten sich am Montag vielerorts Bauern zu Protestkundgebungen vor Molkereien. Eine Blockade der Molkerei der frischli Milchwerke im niedersächsischen Rehberg-Loccum wurde am Mittag von der Polizei aufgelöst.

Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) schloss eine Einmischung der Politik in den Streit aus. Er unterstütze die Bauern in ihrer Forderung nach kostendeckenden fairen Preisen, sagte Seehofer nach einer Sonderkonferenz mit den Agrarministern der Bundesländer am Montag in Berlin. Die Preisfindung sei jedoch Angelegenheit der Wirtschaft.

Zuvor hatte sich Seehofer überzeugt davon gezeigt, dass die Kunden Verständnis für die Bauern hätten. Wenn die Bauern durch Preiserhöhungen einen fairen Preis für ihre Milch erhielten, seien die Verbraucher damit einverstanden, sagte der Minister. Zugleich rief er Milchwirtschaft und Bauern zu einer Beilegung ihres Streits auf. Die Versorgung der Bevölkerung müsse in jedem Fall gewährleistet sein.

Nach einem Bericht des «Tagesspiegel» droht den deutschen Milchbauern Ärger mit dem Bundeskartellamt. «Wir prüfen gerade, ob der Aufruf des Bundesverbands der Milchviehhalter zum Lieferstopp als Boykottaufruf zu werten ist», sagte Behördensprecherin Silke Kaul der Zeitung. Das wäre nach Paragraf 21 des Wettbewerbsgesetzes rechtswidrig. Umgekehrt könnten die Bauern bei der Forderung nach höheren Milchpreisen nicht mit Unterstützung des Kartellamtes rechnen. Die Behörde habe zwar bereits mehrere Beschwerden von Bauernpräsident Gerd Sonnleitner darüber erhalten, dass der Handel die Milch unter Einstandspreis verkaufe, sagte die Sprecherin. «Unsere Untersuchungen haben diesen Verdacht bisher aber nicht bestätigt», fügte sie hinzu.

Bischof stärkt Milchbauern den Rücken
Der Limburger katholische Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hatte am Samstag den Milchbauern den Rücken gestärkt. Um seine Solidarität zu zeigen, besuchte er einen Bauernhof in Hellenhahn im Westerwaldkreis.

Er wolle ein deutliches Zeichen dafür setzen, dass er die Landwirte in ihrer Notsituation gut verstehen könne, sagte der Bischof. Es gehe um eine gerechte Entlohnung. Gleichzeitig tue es ihm in der Seele weh zu sehen, wie die Milch weggeschüttet oder verfüttert werde, beklagte Tebartz-van Elst.

Der 48-jährige Bischof stammt aus einer bäuerlichen Familie. In einem Interview gab er kürzlich zu erkennen, dass er es sich noch immer zutraut, Kühe zu melken. «Ich weiß nicht, ob ich es heute noch hinkriege, aber ich würde mich trauen; ich wüsste, wie ich es anpacken sollte», sagte Tebartz-van Elst.