Migrationsdebatte bestimmt Wahlkampf in Italien

Kirche mahnt zu Besonnenheit

Migration ist das große Thema im italienischen Parlamentswahlkampf. Die Schüsse eines Rechtsextremen auf Afrikaner zeigen die Dringlichkeit einer offenen Migrationsdebatte. Doch besonnene Stimmen wie die der Kirche haben es schwer.

Autor/in:
Stefanie Stahlhofen
Demonstration von Neonazis in Rom / © Cristian Gennari (KNA)
Demonstration von Neonazis in Rom / © Cristian Gennari ( KNA )

Eine Statistik, die zu denken gibt: Zeitweise war Adolf Hitlers NS-Propagandawerk "Mein Kampf" am Dienstag auf Platz drei der meistverkauften Biografien bei Amazon Italien (E-Book). Die Verkaufszahlen des Buches stiegen laut Medienberichten um 1.037 Prozent. Dies mag schockieren, ist jedoch vor dem Hintergrund des derzeitigen gesellschaftspolitischen Klimas in Italien nicht allzu überraschend.

Nach der Attacke auf afrikanische Migranten im mittelitalienischen Macerata hatte die Polizei bei der Hausdurchsuchung des 28-jährigen mutmaßlichen Täters neben weiterer rechtsextremer Lektüre auch "Mein Kampf" gefunden. Die Medien berichteten - auch darüber - national wie international ausführlich. Zudem nutzt Italiens extreme Rechte den Vorfall, um damit den Wahlkampf zu befeuern.

Attentat auf Farbige

Der tatverdächtige Italiener hatte sich laut Medienberichten nach der Schießattacke am Samstag, bei der er aus einem Auto heraus offenbar bewusst auf Farbige zielte und mehrere schwer verletzte, in eine Italien-Fahne gehüllt und den faschistischen Gruß gezeigt. 2017 hatte er bei Kommunalwahlen für die rechtsextreme "Lega Nord" kandidiert.

Den Berichten nach gestand er die Tat und kommentierte: "Ich habe getan, was getan werden musste: Die illegale Migration muss gestoppt werden."

Er erklärte weiter, er habe so den Tod einer 18-jährigen Italienerin rächen wollen, deren Leiche zerstückelt aufgefunden wurde. Als tatverdächtig gilt ein Nigerianer. Jüngsten Ermittlungen zufolge starb die Frau an einer Überdosis Heroin, die ihr der Nigerianer verschafft haben soll.

Italiens Rechte macht Wahlkampf

Die Attacke von Macerata war eine Steilvorlage für Italiens Rechte im Wahlkampf, rund einen Monat vor den Parlamentswahlen am 4. März. Matteo Salvini von der fremdenfeindlichen "Lega Nord" sagte, seine Partei werde jeden einzelnen "illegalen Gauner und Einwanderer wieder zurückschicken - gute Umgangsformen wahrend, aber wir schicken sie zurück."

Das klingt fast freundlich im Vergleich zu Silvio Berlusconi an der Spitze seiner Partei "Forza Italia", der Migranten als "soziale Bombe" bezeichnete und ankündigte, mit Polizeiverordnungen sollten "600.000 illegale Einwanderer aufgespürt werden, die auch von den Bürgern angezeigt werden können". Für diese Zahl - zu der es sehr unterschiedliche Schätzungen gibt - macht er, wie Salvini, die politischen Gegner verantwortlich.

Luigi di Maio, Chef der populistischen "Fünf-Sterne-Bewegung", konterte, Berlusconi stelle sich als Retter dar, obwohl er "die Bombe der Migration" selbst geschaffen habe, weil er als früherer Regierungschef das Dublin-Abkommen der EU mit unterschrieben habe.

Italiens Ex-Premier und Chef der Demokratischen Partei (PD), Matteo Renzi, hingegen hält sich als einer der wenigen Politiker eher zurück. Er mahnte nach der Tat von Macerata zu Ruhe und Besonnenheit.

Es sei ein Leichtes, der "Lega Nord" die Schuld zu geben, da der mutmaßliche Täter einmal für diese kandidierte, so Renzi. "Lasst uns alle sofort den Tonfall ändern. Alle. Wir sollten dieses Ereignis nicht instrumentalisieren. Lassen wir diesen schrecklichen Vorfall beim Wahlkampf außen vor", appellierte er. Bisher jedoch scheint sein Aufruf ungehört zu verhallen.

Kirche ruft zu Besonnenheit auf

Unterdessen ruft auch die katholische Kirche in Italien zu Einheit und Besonnenheit auf: "Nein zu Fremdenhass, gesellschaftlichem Groll und Geschäftemachern der Angst", mahnte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti. Italien müsse zu "Sachlichkeit, Frieden und Dialog" zurückfinden.

Kardinal Peter Turkson, Leiter des vatikanischen Entwicklungsministeriums, bekräftigte dies am Dienstag noch einmal: Angstmacherei müsse gestoppt werden - "im gesellschaftlichen Verhalten wie bei Regierungsinitiativen, wozu auch die Migrationspolitik zählt", sagte er bei der Vorstellung der Fastenbotschaft des Papstes. Migrationspolitik müsse nach der von Franziskus immer wieder betonten Maxime handeln: "Diese Menschen fördern, schützen, aufnehmen und integrieren."


Quelle:
KNA