Michael Kumpfmüller schreibt über Jesus in Berlin

“Der Roman ist komisch, aber Jesus ist keine Witzfigur”

Jesus streift durch Berlin. In Michael Kumpfmüllers Roman ‘Mischa und der Meister’ kehrt Jesus auf die Erde zurück. Was macht Jesus in Berlin? Wie reagieren die Menschen auf ihn und wie spucken die Teufel ihm in die Suppe.

Autor/in:
Johannes Schröer
Michael Kumpfmüller / © Joachim Gern (KiWi)
Michael Kumpfmüller / © Joachim Gern ( KiWi )

Wie soll man als Autor des 21. Jahrhunderts irgendeine Stimme erheben, die sich erlaubt und zumutet, die sich traut, über Jesus zu schreiben?”, fragt Michael Kumpfmüller im DOMRADIO.DE-Interview. Der Autor ist sich über die Fallen bewusst, die lauern, wenn in einem Roman heute plötzlich Jesus auftaucht. Ins Kitschige oder Pathetische könnte das dann abdriften und ironische oder komische Auftritte des Erlösers gibt es zu Genüge. Wenn in Kumpfmüllers Roman “Mischa und der Meister” Jesus durch Berlin streift, dann meint Kumpfmüller das, trotz aller Komik, die der Roman auch bietet, durchaus ernst. 

"Der Roman ist komisch, aber Jesus ist keine Witzfigur”, sagt er, “Jesus ist eigentlich ein irgendwie Verlorener. Ich glaube, dass ich alle meine religiös grundierten Optimismen aufgerufen habe - mit dieser Figur, die so gesehen doch ein bisschen so ein Bruder ist. Also, was sage ich da, Jesus, mein Bruder, klar, das kann nicht sein. Sie verstehen schon, wie ich das meine: Jesus ist mir natürlich fremd. Aber auf eine Weise, dass ich etwas wiedererkenne”.

Warum sollte Jesus auf die Erde kommen?

Im Roman “Mischa und der Meister”, sagt die Studentin Anastasia zu ihrem Freund. “Ich würde mich freuen, wenn Jesus uns besuchen käme”. Und dann ruft sie ihn eher scherzhaft herbei. Und er kommt nach Berlin. Aber warum tut er das? "Und dann sagt Jesus: ‘Ja, eben deshalb bin ich gekommen. weil du nichts von mir wolltest. Und das ist natürlich eine, wenn Sie so wollen, eine Kritik, dass Jesus für die Leute, die an ihn glauben oder glauben, an ihn zu glauben, so eine Wunschmaschine geworden ist”, erklärt Kumpfmüller. Es könne Jesus keine Ruhe lassen, was mit uns Menschen auf Erden sei. “Gott hat nun mal diesen Menschenhaufen über mehrere Jahrtausende auf die Erde hingesetzt”, sagt der Autor. “Also bleibt er gewissermaßen zuständig. Also guckt er ab und zu mal, was da los ist”.

Jesus schweigt

Im Roman kann sich – bis auf die Menschen, in die der Teufel gefahren ist - keiner seinem Charisma, seiner Ausstrahlung, seinem göttlichen Charme entziehen. Dabei wirkt Jesus allein durch sein Dasein. Er verändert das Leben und Handeln der Menschen, ohne große Wunder zu wirken oder Worte zu machen. “Er ist ein absoluter Schweiger”, sagt Kumpfmüller über seinen Jesus. “Es erkennen ihn auch nicht alle, und viele durchschauen auch nicht, was mit ihnen passiert, weil die wenigsten überhaupt noch von ihm wissen - also in einem tieferen Sinne wissen oder glauben, dass er da sei, als Wirkkraft, oder was auch immer man dazu sagen will”.

Eine Epidemie der Liebe

Jesus hört zu. ‘Er sucht Blicke und legt etwas in die Blicke hinein, das die Menschen zum Lächeln bringt’, so beschreibt Kumpfmüller das. In Berlin löst Jesus ein ‘Infektionsgeschehen’ aus, eine Infektion der Liebe. “Meine Antwort auf ihn soll sein, dass es eine Epidemie des Guten gibt oder der Freude oder wie auch immer”, erklärt Kumpfmüller. “Jesus kommt ja und tut eigentlich nichts, außer da zu sein. Und sein schieres Dasein verwandelt die Menschen. Sie revidieren alles, was sie an Nichtgutem tun, dahingehend, dass sie auf einmal Gutes tun und gute Gedanken haben und gute Taten vollbringen”.

Welche Bedeutung hat Jesus heute?

Michael Kumpfmüller gelingt es, auf faszinierende und hintersinnige Weise über Jesus zu schreiben. Das Buch ist kühn, es ist auch komisch und grotesk. Aber es regt zu spannenden Gesprächen an - über Jesus und welche Relevanz der Sohn Gottes heute noch haben könnte. “Der Roman würde dann so gesehen auch seinen Sinn darin haben können, dass Leute sagen: ‘Ja, das ist ja ganz einfach, darüber zu sprechen’”, hofft Kumpfmüller. “Man muss ja eigentlich auch gar nicht immer die Bibelstelle mit im Köcher haben, sondern man muss ja nur, wie soll ich sagen, man muss ja nur lauter und wahrhaftig sein. Und das spüren die Leute, das spüre ich ja auch. Ich spüre immer, wie mir ein Mensch begegnet, und das spüre ich immer besser”.

Quelle:
DR