Messe vom letzten Abendmahl - Pontifikalamt im Hohen Dom zu Köln - Predigt hier als Video und Audio

"Hass zerstört, Liebe baut auf"

Mit einer feierlichen Messe hat Joachim Kardinal Meisner am Donnerstagabend des Letzten Abendmahls Jesu gedacht. Mit dem heutigen Tag beginnt das sogenannte österliche "Triduum", das sind die drei Österlichen Tage des Gedächtnisses vom Leiden, vom Tod und von der Auferstehung Jesu. Die Predigt des Kardinals liegt hier als Video (in Kürze online) und als Audiomitschnitt vor. Der Kardinal rief vehement zu positiver Veränderung der Welt auf.

 (DR)

"Wenn alle Christen der Welt, die an diesem heiligen Abend das Abendmahl halten, diesen Anspruch des Herrn feiern, diesen Anspruch des Herrn verstehen und sich mühen, ihn zu verwirklichen, dann geschieht für die Menschheitsfamilie unendlich mehr als bei großen Aktionen der UNO.", so der Erzbischof.

domradio.de dokumentiert im Folgenden den Wortlaut der Predigt des Kardinals:

Liebe Schwestern, liebe Brüder!

Was damals im Abendsmahlssaal von Jerusalem geschehen ist und was einstmal beim himmlischen Hochzeitsmahl am Ende der Zeiten vollendet wird in der Herrlichkeit des Himmels, das wird hier im Dom und heute am Gründonnerstagabend in der Feier der heiligen Geheimnisse gegenwärtige Wirklichkeit. Was in der Vergangenheit, also im Perfectum liegt, und was sich im Futurum am Ende der Zeiten vollenden wird, das wird heute Abend gegenwärtig. Diese heilige Feier ist ein Ereignis. Es geschieht hier etwas anderes als bei den Oberammergauer Passionsspielen oder bei einem Kreuzweg. Das Heilsgeschehen wird für uns gegenwärtig, mächtig und wirksam. Die ganze große Heilige Woche hat Epiphaniecharakter. Christus handelt in unserer Mitte, und wir sind eingeladen, hinzuzutreten und dabei zu sein. Der Herr hält wirklich jetzt sein heiliges Abendmahl mit uns.

Dem Menschen ist die Sorge um den neuen Menschen und um die neue Menschheit aufgetragen. Es darf nicht übersehen werden, dass dies nur in Christus getan werden kann. Im eucharistischen Mysterium werden der Mensch und die Welt in das Christusmysterium übernommen und einverleibt. Hier geschehen wirklich die Mitnahme der Menschen und die Übernahme der Welt. Hans Urs von Balthasar sagt: „Die Kommunikation des Geistes in der Materie ermöglicht in der eucharistischen Materie eine echte Kommunion der versagenden Glaubensakte mit dem unentwegten Glauben des Sohnes. Diese physische Einigung ist die Sicherung des Mit-Dabeiseins." Er meint damit, wie etwa der Geist unseren Leib, die Materie, lebendig macht, so verbindet die eucharistische Materie, das ist der Leib des Herrn in der heiligen Kommunion, unseren schwachen Glauben mit dem starken und ungebrochenen Glauben des Sohnes. Die Sehnsucht der Menschheit richtet sich darauf ein, den neuen Menschen zu formen, eine neue Gesellschaft zu gründen, eine neue Welt zu bauen und eine bessere und schönere Zukunft heraufzuführen. Die Menschheit lebt von dieser Hoffnung. Christus, dem Herrn, geht es um die Erfüllung dieser großen Hoffnung. Hier auf Erden ist das Reich Gottes schon im eucharistischen Geheimnis da. Beim Kommen des Herrn am Ende der Zeiten erreicht es dann seine Vollendung. Wenn wir als Gemeinschaft des Herrn glaubend das eucharistische Geheimnis feiern, geschieht etwas Positives mit dem Menschen und der Welt

Heute versammeln sich um die Altäre Menschen verschiedenster Herkunft, verschiedensten Alters, verschiedenster Bildung und verschiedenster Stellung. Diese Versammlung aber ist kein bunter Haufen, sondern alle sind einer in Christus, wie Paulus es im Galaterbrief (vgl. Gal 3,28) formuliert. In dieser Gemeinschaft gilt jeder. Jeder kann seine gute eigene Art leben, aber es sind keine Eigenbrötler. Jeder sieht jeden, und jeder grüßt jeden. Das ist hier eine einzigartige Versammlung. In ihr werden alle aktiv, jeder so gut und soweit er kann. Über dieser Gemeinschaft liegt die Freude: „Ich freute mich, als man mir sagte: ‚Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern'" (Ps 122,1). „Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes" (Eph 2,19). Alle Hausgenossen Gottes sind Tischgenossen Gottes. Alle versammeln sich um den einen Tisch. Unsere Gemeinschaft ist nicht nur Hausgemeinschaft, sondern Tischgemeinschaft. Von hier aus ist unsere Gemeinschaft mit Gott und untereinander am tiefsten begründet. „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot" (1 Kor 10,17). An diesem Tisch werden alle Völker aus allen Sprachen und Rassen zu einer inneren Einheit zusammengefügt. In dieser Gemeinschaft wächst der Friede. Hier geben sich alle den Friedensgruß. Der ersehnte Weltfrieden geht von Christus aus, der unser Friede ist. Er geht vom Bruder zur Schwester und von der Schwester zum Bruder und wächst so in die Welt hinein. Hier werden die Scheidewände niedergerissen, hier ist der Ort, wo der Friede, das ersehnte Gut der Menschheit, gestiftet wird und wo der Friedensstifter in unserer Mitte gegenwärtig wird.

Wenn dann in der Liturgie des Gründdonnerstags die Fußwaschung geschieht, so wird dadurch allen kund, dass in der neuen Gesellschaft ein neues Gesetz Tag für Tag geübt werden muss, das ist die Fußwaschung. Das Grundgesetz der menschlichen Vollendung und deshalb auch der Umwandlung der Welt ist das neue Gebot der Liebe. Hass zerstört, Liebe baut auf! Wo der Hass gepredigt und gelebt wird, da herrschen Angst und Spaltung. Wo die Liebe gepredigt und gelebt wird, da sind wahre Einheit und echte Freude. „Christi Liebe hat uns zur Einheit versammelt. Wir wollen jubeln und seiner uns freuen", so heißt es in der heutigen Liturgie. Was wir in der Fußwaschung darstellen, ist ein Gewissensspiegel für uns als Volk Gottes und für unser Verhalten. So sollte es sein, wie bei der Fußwaschung. Ist es so? Sind wir wirklich eine dienende Gemeinschaft, und haben wir Gemeinschaft mit denen, die mit uns in der gleichen Nachbarschaft wohnen? Haben wir Frieden untereinander, und haben wir die Gesinnung des Friedens? Tun wir allen Gutes? Helfen wir der Not in der Welt ab, soweit es uns möglich ist? Wir feiern heute die Gegenwart Christi im Altarssakrament, und wir dürfen in der heiligen Kommunion mit dem Herrn eins werden. Aber vergessen wir dabei nicht, dass hier vom Tisch des Herrn aus inmitten unserer Welt über alle Rassen und Nationen hinweg eine neue Völkergemeinschaft wachsen soll, die einmal ihre Vollendung in jener Gemeinschaft finden wird, in der alle Völker aus Ost und West, aus Nord und Süd mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tische sitzen werden (vgl. Mt 8,11). Wenn alle Christen der Welt, die an diesem heiligen Abend das Abendmahl halten, diesen Anspruch des Herrn feiern, diesen Anspruch des Herrn verstehen und sich mühen, ihn zu verwirklichen, dann geschieht für die Menschheitsfamilie unendlich mehr als bei großen Aktionen der UNO.

Hier am Altar des Gründonnerstags empfangen wir „die Kräfte der zukünftigen Welt" (Hebr 6,4), wie der Hebräerbrief sagt, die sich in Ehe und Familie, in Beruf und Schule, in Gesellschaft und Wirtschaft auswirken müssen. Wir dürfen die Feiern dieser großen Woche hier im Dom vollziehen und mitbegehen. Gebe Gott, dass auch unsere Stadt, unser Land und unsere Welt von diesen Begegnungen des Herrn mit uns, dann aber auch durch uns ein wenig positiv verändert werden.

Amen.

+ Joachim Kardinal Meisner

Erzbischof von Köln