Merkel drängt Europa zu Geschlossenheit auch nach dem Nein aus Irland

Kein "Europa der zwei Geschwindigkeiten"

Mit deutlichen Bekenntnissen zu einem Europa der 27 hat in Brüssel der Krisengipfel über die Zukunft des Reformvertrags von Lissabon begonnen. "Wichtig ist, dass die Stimme jedes Landes gehört wird", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Donnerstag zum Auftakt der zweitägigen Beratungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich vor dem Treffen dafür aus, Irland nicht zu isolieren. Nötig seien nun schnelle grundsätzliche Entscheidungen, sagte sie.

 (DR)

Der irische Premierminister Brian Cowen erklärte, alle EU-Regierungen müssten nun gemeinsam nach Lösungen suchen. Irland hatte die EU in der vergangenen Woche in die Krise gestürzt, als sich 53 Prozent der Bürger in einem Referendum gegen den EU-Reformvertrag aussprachen. Cowen will seinen Amtskollegen eine erste Analyse über die Gründe der Ablehnung vorlegen. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass die Gipfelteilnehmer sich schon auf einen konkreten Lösungsansatz verständigen.

Möglich ist allerdings eine Einigung auf einen groben Zeitplan: Der reguläre EU-Gipfel im Oktober sei eine «passende Gelegenheit» für weitere Diskussionen, erklärte Barroso. EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering (CDU) forderte die EU-Staaten auf, den Ratifizierungsprozess fortzusetzen. Der Vertrag müsse rechtzeitig vor den Europawahlen im Juni 2009 in Kraft treten, verlangte er.

Die Iren hatten als einziges EU-Land eine Volksabstimmung über den Reformvertrag abgehalten. 19 der 27 EU-Staaten haben den Lissabon-Vertrag schon auf parlamentarischem Weg angenommen. Am Mittwoch hatte das britische Oberhaus den Vertrag gebilligt  eine Entscheidung, die nach dem Nein des Nachbarlands mit großer Spannung erwartet worden war.

Neben der Reformkrise standen auch andere drängende Probleme auf der Agenda, etwa der Anstieg der Lebensmittel- und Erdölpreise. Sowohl einkommensschwache Haushalte in der EU als auch Menschen in Entwicklungsländern hätten unter dieser Entwicklung zu leiden, heißt es in den vorläufigen Schlussfolgerungen des Gipfels. Die Regierungen wollen unter anderem prüfen lassen, inwiefern die Herstellung von Biokraftstoffen die Lebensmittelproduktion beeinträchtigt.

Heftige Kritik hatte im Vorfeld des Gipfels ein Vorschlag Frankreichs auslöst, die Steuern auf Mineralölprodukte zu senken. Vor allem Deutschland lehnt dies ab. Einig sind sich die Regierungen dagegen darin, dass die EU ihre geplanten Klimaschutzgesetze schnell verabschieden muss. Diese sehen unter anderem Maßnahmen für mehr Energieeffizienz vor.