Merkel besucht zum zweiten Mal Bethel

Die Kanzlerin im "Haus Gottes"

100.000 Beschäftigte, 15.000 Mitarbeitende in sechs Bundesländern - die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel sind das größte diakonische Unternehmen in Europa. Und die mächtigste Frau des Kontinents, Angela Merkel, hat heute den Hauptsitz besucht. Dabei ging es auch um die Refinanzierung von sozialer Arbeit.

 (DR)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der sozialen Arbeit mit behinderten Menschen auch angesichts der Wirtschaftskrise ihre Unterstützung zugesichert. Diese Arbeit müsse auch in Zukunft auf der gleichen Grundlage geleistet werden, sagte Merkel am Dienstag in Bielefeld bei einem Besuch der von Bodelschwinghschen Stiftungen. In den vergangenen Jahren habe es für die Wohlfahrtsverbände keine Kürzungen gegeben. Es werde sicher in der Regierungskoalition Verteilungskämpfe geben. "Wir haben aber eine starke Arbeits- und Sozialministerin", hob Merkel hervor.

Die Bundeskanzlerin appellierte an die Wirtschaft, behinderten Menschen mehr Angebote zu machen. In der Gesellschaft müsse die Integration so weit wie möglich vorangebracht werden. Eine Behinderung müsse zudem "als Teil der Vielfalt unseres Lebens" selbstverständlich sein, warb die CDU-Politikerin. Merkel informierte sich bei den v. Bodelschwinghschen Stiftungen über Arbeit und berufliche Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen. Die Bundeskanzlerin war erstmals im Jahr 2006 zum 175. Geburtstag des früheren prägenden Bethel-Leiters Friedrich von Bodelschwingh (1831-1910) in Bethel.

Von der Wirtschaftskrise seien auch Menschen mit Behinderungen betroffen, erklärte Bethel-Chef Ulrich Pohl. Auch in den Werkstätten Bethels seien die Aufträge eingeschränkt worden. Pohl appellierte an die Kanzlerin, in der Arbeitsmarktpolitik die Menschen mit Behinderungen im Blick zu behalten. Unternehmen sollten ermuntert werden, mehr behinderte Menschen auch auf dem ersten Arbeitsmarkt zu beschäftigen. Gute Schul- und Ausbildungsmöglichkeiten seien zudem auch für Menschen mit Behinderungen unverzichtbar, betonte er.

Im Zusammenhang mit dem künftig verkürzten Zivildienst auf sechs Monate äußerte Pohl die Hoffnung, dass eine freiwillige Verlängerung des Dienstes ermöglicht werde. Zwei Drittel der Betheler Zivildienstleistenden würden ihren Dienst gerne verlängern. Ein freiwilliges Ausweiten der Dienstzeit soll nach Auffassung von Merkel möglich sein. "Diese Hürden sollten überwunden werden können", äußerte sie sich zuversichtlich.

"Haus Gottes" seit 1867
Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, die am Karfreitag in diesem Jahr den langjährigen Bethel-Leiter Friedrich von Bodelschwingh anlässlich seines 100. Todestages würdigten, sind das größte diakonische Unternehmen Europas. Das Diakonie-Unternehmen mit der Zentrale in Bielefeld verfügt über gut 20.000 Plätze für behinderte und kranke Menschen und beschäftigt etwa 15.000 Mitarbeitende. In den Einrichtungen in sechs Bundesländern wurden im vergangenen Jahr insgesamt 100.000 behinderte Menschen betreut, beschäftigt oder ausgebildet.

Die Arbeitsfelder reichen von Epilepsie, Psychiatrie, Jugendhilfe, Behindertenhilfe, Wohnungslosenhilfe und Altenhilfe bis zu Akutkrankenhäusern. Zudem bietet die diakonische Einrichtung in einem auf epilepsiekranke Menschen spezialisierten Berufsbildungswerk jungen Behinderten handwerkliche Berufsausbildungen. Bethel ist auch an der bundesweit größten evangelischen Klinik in Bielefeld beteiligt. Das Evangelische Krankenhaus Bielefeld (EvKB) wurde 2005 durch den Zusammenschluss von zwei Bethel-Krankenhäusern und dem Johanneskrankenhaus des Evangelischen Johanneswerks gebildet.

Ursprung des Unternehmens ist die "Rheinisch-Westfälische Anstalt für Epileptische", die 1867 von Kaufleuten der Stadt und der Inneren Mission in Bielefeld ins Leben gerufen wurde. Maßgeblich geprägt wurde die Einrichtung von Friedrich von Bodelschwingh (1831-1910), der 1872 die Leitung übernahm. Er gab den Anstalten den biblischen Namen Bethel ("Haus Gottes"). Vorstandsvorsitzender ist seit 2008 der Theologe Ulrich Pohl.