Menschenrechtsanwalt bekommt Aachener Friedenspreis

Ausgezeichnetes Engagement für andere

Drei Laster attestiert sich Menschenrechtsanwalt Holger Rothbauer: die Mitgliedschaften in Kirche, SPD und beim VfB. An diesem Donnerstag erhält er den Aachener Friedenspreis. Ein Besuch in seiner Tübinger Heimat.

Autor/in:
Michael Jacquemain
Aachener Dom / © Julia Steinbrecht (KNA)
Aachener Dom / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Der Ausblick ist traumhaft: Hoch über der Tübinger Altstadt gelegen gestattet die großzügig angelegte Terrasse den Blick auf Stiftskirche, Hölderlinturm und das hügelige Umland des Neckartals.

Aber Anwalt Holger Rothbauer kann die Aussicht nicht mehr gut genießen, dafür sind seine Augen zu schlecht. Wenn er Wohnung oder Kanzlei verlässt, dann heftet er sich meist das Blindenabzeichen mit den drei schwarzen Punkten auf gelbem Grund ans Jackett. Am 1. September wird der Jurist in Aachen für sein Menschenrechtsengagement mit dem Friedenspreis geehrt.

Holger Rothbauer / © Ulrich Metz (KNA)
Holger Rothbauer / © Ulrich Metz ( KNA )

Trotz starker Sehbehinderung klagt Rothbauer nicht. Als Lebensmaxime formuliert er vielmehr die Frage: "Was kann ich tun? Denn wenn ich nichts tue, dann passiert auch nichts." Und Rothbauer tut viel: Seit Jahrzehnten kämpft er gegen deutsche Waffenexporte und kümmert sich vor Gericht um ausländerrechtliche Fälle - auch scheinbar aussichtslose. "Wir sind anders", sagte er über die Kanzlei, in der neben zwei weiteren Kollegen die frühere Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin arbeitet.

Verfahren gegen Verantwortliche der Waffenproduzenten Heckler und Koch

Rothbauers spektakulärste Erfolge waren Verfahren gegen Verantwortliche der Waffenproduzenten Heckler und Koch sowie Sig Sauer. Öffentliches Aufsehen erregte 2019 die Verurteilung von zwei Heckler-und-Koch-Mitarbeitern wegen illegaler Exporte nach Mexiko.

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied 2021 endgültig, dass die schwäbische Waffenschmiede weit über drei Millionen Euro an die Staatskasse überweisen muss. Dokumentationen und zwei Spielfilme - "Meister des Todes" 1 und 2 - für die ARD arbeiten die Ausfuhr der Kriegswaffen nach Mittelamerika medial auf.

"Ich ertrage es einfach nicht", erzählt der Jurist, "wenn vor mir drei junge Syrerinnen sitzen, die Opfer von Assads Chemiewaffenangriffen wurden, und ich weiß, dass das Gift aus Deutschland exportiert wurde. Gegen solche Schweinereien muss etwas unternommen werden."

Rothbauers links-katholische Prägung begann früh: Das Gymnasium in Stuttgart und die Mitgliedschaft in der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) standen am Anfang. Parallel zum Jurastudium in Tübingen lernte er dort die Theologen Norbert Greinacher und Hans Küng kennen, nahm 1984 an der Weltkonferenz der Religionen für den Frieden in Nairobi teil.

Sein Einsatz gegen die Rüstungsindustrie begann, nachdem er in Afrika Menschen gesehen hat, die durch deutsche Waffen ihr Leben verloren.

Ein Panzer / © Alexey Soloukhin (shutterstock)

Als juristischer Hebel dienen Rothbauer Strafrecht und Informationsfreiheitsgesetz, mit dem er die Herausgabe von Informationen einfordert und zur Not auch einklagt, um so Transparenz schaffen zu können. Aber hat er nicht Angst vor einer Branche, die im Umgang mit ihren Kritikern nicht gerade als zimperlich gilt? "Nein", sagt Rothbauer, "aber mulmige Gefühle hatte ich manchmal schon." Nach Mexiko will er nicht mehr reisen - schon allein, weil ihm seine Frau für den Fall die Scheidung angedroht hat.

Hoffnung auf Rüstungsexportkontrollgesetz

Rothbauer, der die anfänglich zurückhaltende Position von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu Waffenlieferungen in die Ukraine teilt, ist blendend vernetzt, engagiert sich für die Nichtregierungsorganisationen "Ohne Rüstung Leben", "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!" und die katholische Friedensbewegung pax christi. Und er arbeitet am jährlichen Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) mit. Für die württembergische Caritas betreut er Menschen in Abschiebehaft und Justizvollzugsanstalt. Aber auch in der Rechtsberaterkonferenz für Flüchtlinge und Ausländer und beim Deutschen Anwaltsverein mischt der eloquente Jurist mit, der neben seinem Studium in Tübingen auch ein Studium im US-amerikanischen Philadelphia abschloss.

Politisch setzt er sich aktuell für eine rechtliche Neufassung der Rüstungsexportkontrolle ein. Rothbauer zeigt sich optimistisch, dass das im Koalitionsvertrag verankerte Vorhaben umgesetzt wird. Er hofft auf ein Rüstungsexportkontrollgesetz, "das seinen Namen wirklich verdient". Durch den Friedenspreis sieht er sich in alldem bestätigt.

Sich selbst attestiert der 57-Jährige Vater zweier Kinder "drei Laster", und er meint damit seine Mitgliedschaften: in der katholischen Kirche, in der SPD und beim VfB Stuttgart. "All das gehört zu meiner Person." Genau wie die Vision, die er politisch, kirchlich und gesellschaftlich hat: "Wenn wir noch Hoffnung haben wollen, dann ist sie weiblich."

Aachener Friedenspreis

Der Aachener Friedenspreis wird seit 1988 an Menschen verliehen, die sich für Frieden und Dialog zwischen Konfliktparteien einsetzen. "Wir wollen sie ehren, wenn sie Frieden gestiftet haben durch Gerechtigkeitssinn, Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft auch Feinden gegenüber; durch Gewaltlosigkeit, Zivilcourage, Tatkraft, Sachlichkeit und Herz", heißt es in der Gründungserklärung.

Symbolbild Friedenstaube / © LittlePerfectStock (shutterstock)
Symbolbild Friedenstaube / © LittlePerfectStock ( shutterstock )
Quelle:
KNA