Menschenrechtler befürchten neue Christenverfolgung in Indien

Pogrome zur Weihnachtszeit?

Die Gesellschaft für bedrohte Völker warnt vor erneuten Pogromen gegen Christen in Indien. Es sei zu befürchten, dass in der Vorweihnachtszeit, wenn Christen sich stärker zum Glauben bekennen, hindu-nationalistische Gruppen gegen die christlichen Adivasi-Ureinwohner vorgingen. Zudem sei die Lage vor den Parlamentswahlen im März aufgeheizt.

 (DR)

Viele Christen im indischen Bundesstaat Orissa könnten nicht in ihre Dörfer zurückkehren, weil sie um ihr Leben fürchteten, berichtete der Adivasi-Experte James Albert. Zudem seien sie ihrer Lebensgrundlage beraubt worden. Der gebürtige Inder hatte mit einer Sondergenehmigung Ende Oktober abgesperrte Flüchtlingslager in Indien besucht. Rückkehrer seien ermordet worden, wenn sie nicht den hinduistischen Glauben angenommen hätten, sagte Albert. Hinduistische Nationalisten hatten im September rund 4.400 Häuser von Adivasi-Ureinwohnern zerstört, Christen getötet und Kirchen niedergebrannt.

Nationalisten verbreiten Angst und Schrecken
Die Augenzeugenberichte zeigen Albert zufolge, dass die Nationalisten im September vor allem Angst und Schrecken verbreiten wollten. Obwohl die Pogrome kurz nach dem Mord an einem Hinduführer begannen, seien sie bereits zuvor geplant worden. «Hindu-Nationalisten sind angekarrt worden und haben innerhalb von Stunden Dörfer überfallen und Häuser angezündet.»

Nach den Aussagen Alberts kommt die juristische Aufarbeitung der Pogrome nur langsam in Gang. Es lägen nach offiziellen Angaben 900 Anklagen vor. Doch Nationalisten wie die Bharatiya Janata Party (BJP), die in der Region Orissa an der Regierung beteiligt ist, übten starken Druck auf Justiz und die lokale Polizei aus, nichts zu unternehmen. So wie die Sicherheitskräfte auch im September die Pogrome nicht verhindert hätten, sagte Albert.

Mittlerweile leben dem Inder zufolge in den Lagern in dem besonders für Christen gefährlichen Distrikt Kandhamal noch rund 11.000 Kleinbauern und Sammler. Die meisten der ursprünglich rund 50.000 Flüchtlinge seien in andere Gegenden Indiens gezogen, um nach Arbeit zu suchen. Die Sicherheitslage für Christen in Kandhamal, für das weiterhin der Ausnahmezustand gilt, habe sich etwas verbessert, weil die indische Regierung Bundespolizisten in die Region geschickt habe. Dennoch schürten hinduistische Nationalisten weiterhin Hass gegen Christen und Muslime.

Daher sei es nötig, dass in ganz Indien radikale hinduistische Organisationen verboten würden, betonte Albert. Delius fügte hinzu, die Bundesregierung müsse in Indien auf die Einhaltung der Menschenrechte pochen. Bisher interessiere sich das Auswärtige Amt nicht für die Situation der Adivasi-Ureinwohner. Indien werde ausschließlich als wichtiger Wirtschaftspartner und größte Demokratie Asiens wahrgenommen.

Bundesregierung soll sich für Christen einsetzen
Der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln hat die Bundesregierung aufgefordert, sich stärker für den Schutz von Christen in Indien einzusetzen. Sie müsse sich «bei der indischen Regierung für eine sofortige Beendigung der Gewalt gegen Christen» einsetzen, teilte der Katholikenrat am Dienstag in Köln mit. Ein entsprechendes Schreiben sei auch an den indischen Botschafter in Berlin sowie weitere Repräsentanten in Staat und Kirche gegangen. Der indischen Regierung müsse vor Augen geführt werden, «dass durch die Morde und Gewalttaten von radikalisierten Gruppen das Ansehen Indiens sehr geschädigt wird».

Bei Angriffen auf Christen in Indien waren in den vergangenen Wochen nach unterschiedlichen Angaben bis zu 80 Christen getötet und 140 kirchliche Einrichtungen zerstört worden. Auslöser der Unruhen war die Ermordung des Hindu-Führers Swami Lakshmanananda Saraswati Ende August. Obwohl sich maoistische Rebellen zu den Morden bekannten, machten nationalistische Hindu-Gruppen die Christen für die Tat verantwortlich.