Menschen, die wissen worauf es ankommt

Wenn Kunst uns den Himmel aufschließt

"Sie sind der erste Israeli, der kein Soldat und kein Panzer ist", sagt ein kleines Mädchen in Palästina zu dem weltberühmten Dirigenten Daniel Barenboim nach einem Konzert mit seinem westöstlichen Diwanorchester. Was für ein Satz. Was für ein Orchester.

Daniel Barenboim (dpa)
Daniel Barenboim / ( dpa )

1999 wurde es, als Jugendorchester, von dem israelischen Musiker Daniel Barenboim und seinem Freund, dem palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said, gegründet. Daniel Barenboim, Pianist und Dirigent, ist als neunjähriger jüdischer Junge aus Argentinien nach Israel gekommen. Seitdem erlebt er den NahostKonflikt live. Und genau deswegen sitzen in seinem Orchester junge Musiker aus Israel, Palästina und den angrenzenden arabischen Staaten. Natürlich musizieren sie nicht nur zusammen – sondern streiten über ihre Heimat, auf die so viele Menschen Anspruch erheben.  "Jeder in diesem Orchester spielt um sein Leben", sagt Barenboim. Selten ist dieser Satz so buchstäblich, so wahr gewesen.

Für dieses Projekt hat Daniel Barenboim gerade den Marion Gräfin Dönhoff Preis bekommen. Der wird verliehen an „Menschen, die wissen, worauf es ankommt.“ Die mutige, kluge, streitbare Gräfin, die selbst im Untergrund gegen die Nazis aktiv war, wusste selber genau, worauf es ankommt. Um das Andenken der Gräfin lebendig zu halten, wird jedes Jahr am ersten Advent, kurz vor dem Geburtstag der Gräfin, der Dönhoff Preis verliehen. Das sind oft Politiker, Menschenrechtler, Aktivisten. Wie Daniel Barenboims Beispiel zeigt, geht das auch mit den Möglichkeiten, die die Kunst hat. Wie unzählige andere künstlerische Projekte beweisen, wie die von Musikern, die in die sozialen Brennpunkte gehen  oder sich bemühen, jedem Kind ein Instrument zu verschaffen. Immer gibt es die Möglichkeit, dass die Musik die Seele der Kinder berührt, ihnen ein Gefühl für ihren Wert und ihre Würde gibt. 

Besonders krass, aber auch besonders deutlich zeigen das Geschichten von Musikern aus den Konzentrationslagern, dort, wo Menschen in allerhöchster Gefahr waren. Musik hat vielen von Ihnen das Leben gerettet. Nicht nur, weil sie eine Aufgabe hatten und deswegen länger vor den Gaskammern bewahrt wurden. Auch weil sie sich selbst und andere mitten im Grauen daran erinnern konnten, dass echte Kunst immer transzendent ist, immer den Himmel aufschließt. Manchmal so sehr, dass sie uns rettet vor Sinnlosigkeit und Grausamkeit und einen Grund gibt, weiterzuleben.

Vielleicht haben Sie ja heute am zweiten Adventssonntag die Möglichkeit, Musik zu hören. Musik, die Sie vielleicht nicht gleich rettet. Aber doch in Erinnerung rufen kann, dass es den Himmel gibt. Wirklich gibt. Und das wäre dann ja schon ziemlich viel Rettung.