Bischof Bätzing debattiert über Sterbehilfe in "Hart aber Fair"

"In meinem Glauben verfügt Gott über mein Leben"

Hat die Kirche nach dem Missbrauchsskandal noch moralische Autorität, um sich zu gesellschaftlichen Fragen zu äußern? Moderator Frank Plasberg zieht das in Zweifel. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz antwortet souverän.

Autor/in:
Christoph Arens
Bischof Georg Bätzing im Profil / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Georg Bätzing im Profil / © Harald Oppitz ( KNA )

Es war sein erster größerer Talkshow-Auftritt im neuen Amt. Und es war kein leichter. Geht es nach "bild.de", dann hat der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, seinen Auftritt bei "Hart aber Fair" am Montagabend mit Bravour bestanden und "cool" reagiert.

Es ging um die Frage der Beihilfe zum Suizid und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar, das ein weitreichendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben formuliert hatte. Und es ging um das ebenfalls am Montagabend ausgestrahlte Kammerspiel "Gott" von Ferdinand von Schirach, in dem ein fiktiver Ethikrat den Wunsch eines lebensmüden, aber gesunden 78 Jahre alten Architekten diskutiert, sterben zu wollen und dafür ein tödliches Medikament zu erhalten.

Bätzing kommt aus der Defensive

Selbst Moderator Frank Plasberg räumte ein, dass der Bischof wohl den schwierigsten Part in der Runde gehabt habe. Plasberg selber trug dazu viel bei und versuchte gleich zu Beginn, den Limburger Bischof in die Defensive zu bringen: Der 78-Jährige aus dem Film wolle doch nur "auf humane Art sterben", so der Moderator. "Warum wollen Sie ihm diesen Wunsch verwehren?"

Auch konnte sich Plasberg die Anmerkung nicht verkneifen, wie die Kirche angesichts des Missbrauchsskandals noch als moralischer Wächter auftreten könne - eine Attacke, auf die Bätzing souverän reagierte: Die Kirche habe in der Tat viel moralischen Kredit verspielt. Das bedeute aber nicht, dass sie darauf verzichten könne, den Lebensschutz als ein Fundament ihrer Botschaft öffentlich zu verteidigen.

Am Freitag hatte Bätzing vor Delegierten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) deutlich gemacht, dass er froh sei, dass die ARD das Thema Suizidbeihilfe so prominent auf die Tagesordnung setze. Und dann mit Blick auf den angeschlagenen Ruf der Kirche erklärt, es sei gar nicht mehr selbstverständlich, dass ein Bischof zu diesem Thema in eine TV-Runde eingeladen werde.

Kritik am Karlsruher Urteil

Massive Kritik übte der Bischof am Urteil aus Karlsruhe: Er sei schockiert. Es sei "unerhört", dass sich das Gericht so einseitig auf die Weltanschauung von Sterbehilfebefürwortern gestützt habe. Eine Abwägung zwischen den Grundrechten auf Selbstbestimmung und Lebensschutz sei nicht erkennbar.

Zugleich verzichtete Bätzing aber in "Hart aber Fair" auf den Anspruch der Kirche, der Gesellschaft ihre Weltanschauung überzustülpen - so wie es der fiktive Bischof bei Schirach versucht, indem er die Autorität der Kirchenväter Augustinus und Thomas von Aquin auch für die moderne Gesellschaft einfordert. "Ich kann meine Glaubensüberzeugung niemandem überstülpen", sagte Bätzing. "Aber in meinem Glauben verfügt Gott über mein Leben. Es liegt in seiner Hand, wann ein Leben beginnt und wann es endet."

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" kommentierte das am Dienstag online mit den Worten: "Die Kirche versteht sich nicht mehr als die alleinseligmachende moralische Instanz, weil sie diesen Anspruch auch schon lange nicht mehr durchsetzen kann. Aber sie stellt immerhin noch die richtigen Fragen."

Blick auf europäische Nachbarn

Die konnte Bätzing vor allem mit Blick auf die europäischen Nachbarn formulieren. Im Faktencheck belegte die "Hart aber Fair"-Redaktion, dass die Nachfrage nach aktiver Sterbehilfe in den Benelux-Staaten massiv angestiegen ist. Das Angebot schafft Nachfrage.

Aus Sicht des Bischofs eine Entwicklung, die die Sorge vor einem Dammbruch in Richtung einer Gesellschaft stützt, die Alten und Sterbenskranken einen Suizid nahe legt, weil sie lästig und teuer werden. Bätzing erklärte, in den Niederlanden stünden in manchen Stadtteilen schon 14 Prozent aller Sterbefälle mit dem assistierten Suizid oder mit Tötung auf Verlangen in Verbindung.

Unterstützung erhielt er von Susanne Johna vom Vorstand der Bundesärztekammer: Rechne man die Zahlen aus den Niederlanden hoch, so hätte die Bundesrepublik 90 Sterbehilfe-Tote pro Tag zu erwarten.

Die Münsteraner Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert hält das allerdings für tolerierbar. Die Gesellschaft müsse Schwerstkranken Solidarität zeigen, aber auch die Entscheidung zum Suizid akzeptieren, sagte sie. Mit dem Urteil des Verfassungsgerichts sei ein Notausgang geschaffen worden.


Quelle:
KNA