Welche Rolle spielt Kirche im Bildungssystem?

Mehr als nur Religionsunterricht

"Schule ist weit mehr als nur eine Wirtschaftsorganisation", findet Christoph Westemeyer aus dem Erzbistum Köln. Daher zeigt sich die Erzdiözese mit ganz eigenen Schwerpunkten auf der Bildungsmesse didacta in Köln.

Mit auf der didacta dabei: die Kirchen / © Friso Gentsch (dpa)
Mit auf der didacta dabei: die Kirchen / © Friso Gentsch ( dpa )

DOMRADIO.DE: "Schule hat eine Seele", so lautet der Leitgedanke des Programms der Kirche auf der Bildungsmesse. Was genau soll damit deutlich gemacht werden?

Christoph Westemeyer (Abteilungsleiter für den Bereich Schulische Religionspädagogik und Katholische Bekenntnisschulen im Erzbistum Köln): Zum einen soll es deutlich machen, dass Kirche und Schule eng verwurzelt sind. Kirche war und ist einer der größten Bildungsträger und hat viele eigene Schulen und verantwortet etwa den Religionsunterricht. Daher hat Kirche in dem Bereich viel Erfahrung vorzuweisen, erfährt aber im Gegenzug auch eine positive Resonanz, die sich in den Anmeldezahlen zeigt.

DOMRADIO.DE: Sie haben es gerade schon kurz angesprochen. Warum spielt denn die Kirche, wenn es um das Thema Bildung geht, so eine wichtige Rolle?

Westemeyer: Es zeigt einfach, dass Wirtschaftlichkeit und Effektivität nicht alles ist, was in den Bildungsprozessen eine Rolle spielt. Denn für viele ist Schule mitlerweile eine Wirtschaftsorganisation. Bildung ist aber etwas, das den ganzen Menschen betrifft. Es geht um das, was in seinem Kopf passiert - sowohl beim Lernen, aber eben auch in dem, was sonst den Menschen darüber hinaus ausmacht. Dazu zählt auch die religiöse Dimension des Menschen. Deshalb auch der Begriff der "Seele" im Leitspruch.

DOMRADIO.DE: Jetzt geht es aber nicht nur um Bildung im Schulunterricht, sondern auch darüber hinaus. Schülerinnen und Schüler sollen auch lernen, außerhalb der Schule respektvoll und friedlich miteinander umzugehen. Wie kann das denn umgesetzt werden? Welche Rolle spielt da die Kirche?

Westemeyer: Die Kirche veranstaltet etwa im Rahmen der Caritas oder durch andere Bildungsträger auch andere Veranstaltungen. Immer ist Kirche bei verschiedenen Fragestellungen ganz vorne mit dabei. Dazu zählen etwa Kurse zur Gewaltprävention oder der Sexualerziehung. Kirche ist aber auch Träger von offenen Ganztagsschulen.

DOMRADIO.DE: Die Kirche startet mit einem etwas ungewöhnlichen Thema und zwar geht es um religiöse Tätowierungen als Herausforderung für religiöse Bildungsprozesse. Was hat es denn damit auf sich?

Westemeyer: Das ist ein Thema, das Schülerinnen und Schüler in besonderer Weise anspricht. Zum Beispiel sieht man aktuell häufiger Kreuze auf den Armen. Aber auch andere religiöse Konnotationen kommen in Tätowierungen immer wieder vor. Deshalb ist es auch ein Thema für uns in etwa Fortbildungen.

DOMRADIO.DE: Dann ist auch die Digitalisierung an Schulen ein Thema. Erst vor wenigen Tagen ist das Thema Digitalpakt bei Bund und Ländern wieder auf den Tisch gekommen. Was glauben Sie denn, wie wichtig die Digitalisierung an Schulen ist, damit Bildungsziele erreicht werden können?

Westemeyer: Man kann auf "Digitalisierung" sicher von zwei Seiten schauen. Der Digitalpakt kümmert sich vor allen Dingen darum, wie Gelder bereitzustellen sind, um Infrastruktur zu schaffen, um Breitbandkabel zu legen, um Computer und Programme anzuschaffen. Ein ganz wichtiger Punkt - auch für unsere Schulen.

Aber der zweite Aspekt ist mindestens genauso wichtig. Und da geht es um Fragen, wie: Was ist eigentlich neben der technischen Infrastruktur die Herausforderung der Digitalisierung? Was sind für ethische Fragen damit verbunden? Welches Menschenbild steht dahinter, wenn wir alle unsere Daten irgendjemandem geben, den wir nicht sehen und nicht kennen?

Wir wollen einfach zum Nachdenken anregen. Und das machen wir auch ganz praktisch. Auf der Messe haben wir in diesem Jahr zum Beispiel eine Art Stolperstein liegen. Das Museum Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, hat uns ein Kunstwerk zur Verfügung gestellt. Damit möchten wir einfach ein Aha-Erlebnis schaffen. In der Form, dass hier ist noch mal etwas anderes zu denken ist, als nur die Frage, wie ich morgen schneller mein Buch von irgendwem digital zugesandt bekomme.

DOMRADIO.DE: Sie haben neben Digitalisierung viele weitere Themen, mit denen Sie sich auf der Messe beschäftigen. Es geht auch um Bildungsgerechtigkeit, Flucht und Trauer und wie sich eigentlich eine Schule in diese Themen reindenken muss. Was erhofft sich die Kirche von der Messe in den kommenden Tagen?

Westemeyer: Wir wollen vor allen Dingen zeigen, dass wir mit der Öffentlichkeit, mit den staatlichen Stellen im Gespräch sind, mit allen, die mit Bildung zu tun haben. Natürlich wollen wir auch Leute darauf aufmerksam machen, wie Kirche in diesen Fragen aufgestellt ist und Interesse zu wecken, vielleicht Lehrerin oder Lehrer an einer kirchlichen Schule zu werden. Wir wollen aber auch zeigen: Kirche mischt sich hier ein, meldet sich zu Wort. Unter anderem wird der hier in Köln besonders bekannte Pfarrer Meurer in einer Podiumsdiskussion seine besondere Sicht auf die Fragen geben: Was kann Schule heute leisten? Und wie steht sie in der Gesellschaft da?

Das Interview führte Julia Reck.


Christoph Westemeyer (Erzbistum Köln)

Bildungsmesse Didacta / © Oliver Berg (dpa)
Bildungsmesse Didacta / © Oliver Berg ( dpa )
Quelle:
DR
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