Medwedew neuer Präsident - Liberale in Russland ohne Chance

"Russland hat Stabilität gewählt"

Mehr als 109 Millionen Russen waren am Sonntag aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu bestimmen. Mit 67 Prozent wurde erwartungsgemäß Putins Wunschkandidat Dmitri Medwedew gewählt. Um solch eine deutliche Mehrheit sicherzustellen, wurden die Wähler nach Medienberichten massiv unter Druck gesetzt. "Die Wahlen lief bestimmt nicht nach westlichen Standards ab", bestätigt Russlandkenner Alexander Rahr, Programmdirektor bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im domradio-Interview. Man müsse aber auch die Befindlichkeiten der russischen Bevölkerung richtig einschätzen.

 (DR)

Die liberalen Kräfte, die vom Westen gerne an der Macht gesehen würden, hätten Russland in den neunziger Jahren abgewirtschaftet. Die Wahl Medwedews sei eine Entscheidung der Russen für Stabilität, Kontinuität und wirtschaftliches Wachstum, erläutert Alexander Rahr.

Die Wähler bestätigten mit der Wahl Medwedews die Politik Präsident Putins und der wäre vermutlich auch gerne selbst noch im Amt geblieben. Jetzt wird er vermutlich Ministerpräsident. "Putin möchte natürlich hinter den Kulissen weiter regieren", so Rahr. Er habe sich daher einen schwachen Nachfolger ausgesucht. Medwedew war fast zwanzig Jahre Putins Berater und persönlichen Sekretär. Die spannende Frage bliebe, so Russlandexperte Rahr, ob Medwedew, wenn er sich im Kremel etabliert habe und "die Schalthebel wirklich zu bedienen lernt", sich nicht doch sehr schnell von Putin emanzipiere könne.

Medwedew - Chance für Europa?
Medwedew von vorneherein nur als "Marionette" zu sehen, könnte eine große Fehlkalkulation sein, schätzt auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD). Er erwartet eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem künftigen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew. Dieser sei eine "Chance", weil er vielleicht noch stärker als Amtsinhaber Wladimir Putin sagen werde, er brauche die Europäische Union und Deutschland als Partner, sagte Erler am Montag im Deutschlandfunk.

Wenn Medwedew seine Ankündigungen zur Modernisierung der russischen Gesellschaft und Wirtschaft umsetze, würde es sogar zu einer Intensivierung der Kooperation mit Europa und Deutschland kommen können, fügte Erler hinzu.

Mit Blick auf die Fairness der Wahl, sagte der SPD-Politiker, bei dieser seien die "administrativen Ressourcen voll eingesetzt" worden. So sei etwa Medwedew ständig im Fernsehen zu sehen gewesen, während die anderen Kandidaten kaum vorgekommen seien. Es sei aber auch nicht zu übersehen, dass es im Land eine große Bereitschaft gebe, den Kandidaten Putins zu unterstützen und damit für Kontinuität zu sorgen.

Medwedew an seinen Worten messen
Der CDU-Außenexperte Ruprecht Polenz rechnet mit der Fortsetzung der bisherigen Politik in Russland. "Es spricht viel dafür, dass Putin den Lenker nicht aus der Hand geben wird", sagte der CDU-Politiker am Montag im Deutschlandradio Kultur.

Er rechne damit, dass der Einfluss von Putin, der künftig Ministerpräsident sein wird, nach wie vor bestimmend sein werde. Polenz kritisierte zugleich die Wahl: "Das Volk hatte keine Auswahl, das hat mit Demokratie wenig zu tun."

Der künftige Präsident Dmitri Medwedew habe sich in seinem Wahlkampf für Freiheit, mehr Rechtsstaat und Zivilgesellschaft eingesetzt sowie unabhängige Richter und Medien gefordert, fügte Polenz hinzu. "Ich finde, man kann ihm dafür keinen Vertrauensvorschuss geben, denn schließlich ist er Bestandteil des bestehenden Systems gewesen", sagte Polenz. "Aber man wird ihn an seinen Worten messen können. Und das sollten wir tun."