Mathias Bonhoeffer über seinen Großonkel Dietrich Bonhoeffer

"Widerstand gegen ungerechte Strukturen"

Wer sich mit Dietrich Bonhoeffer beschäftigt, muss sich auch mit dem Thema Widerstand auseinandersetzen. Seine Texte dazu sind noch heute lesenswert, sagt sein Großneffe, der evangelische Pfarrer Mathias Bonhoeffer aus Köln.

Dietrich Bonhoeffer (epd)
Dietrich Bonhoeffer / ( epd )

domradio.de: Selbst erlebt haben Sie Ihren Großonkel nicht mehr. Inwiefern hat Dietrich Bonhoeffer dennoch dazu beigetragen, dass Sie heute evangelischer Pfarrer sind?

Mathias Bonhoeffer (Evangelischer Pfarrer in der Kartäuser Kirche in Köln): Er hat es eigentlich verhindert, weil er ein großer Theologe ist. Mit dem Namen war das erst einmal ein großes Hindernis für mich. Seitdem ich mich mit Dietrich Bonhoeffer beschäftigt habe, ist er für mich ein Vorbild.

domradio.de: Wie würden Sie aus Ihrer persönlichen Sicht Dietrich Bonhoeffer charakterisieren?

Bonhoeffer: Ich glaube, er war menschlich sehr warmherzig. Er konnte aber auch jähzornig sein. Und er war ein zutiefst ehrlicher Mensch. Er hat das gelebt, was er geglaubt hat - auch im Widerstand.

domradio.de: Ist diese Ehrlichkeit auch das, was Sie am meisten beeindruckt?

Bonhoeffer: Die Ehrlichkeit und die Gradlinigkeit, mit der er gedacht und gehandelt hat. 

domradio.de: Wenn Sie sagen, dass er ein Vorbild ist: Wie orientieren Sie sich heute an ihm?

Bonhoeffer: Zum einen theologisch, wenn auch nicht in seiner gesamten Theologie. Er hatte auch Positionen, besonders in Sachen Ehe und Stellung der Frau in der Familie, die hoffentlich seiner Zeit geschuldet waren. Aber gerade was er in seinen Briefen zu Widerstand und Ergebung geschrieben hat - gerade auch in Auseinandersetzung mit seinem Freund Eberhard Bethge -, das gibt mir Stoff zum Nachdenken. Die Theologie dazu ist zwar nicht ausformuliert, sondern steht nur in Ansätzen da. Aber darüber in unserer säkularisierten Welt nachzudenken, finde ich sehr spannend. 

domradio.de: Ein Studium der Texte Bonhoeffers lohnt sich also auch heute?

Bonhoeffer: Eindeutig. Nach wie vor. Vor allem die Texte über Widerstand und Ergebung und große Teile seiner Briefe. 

domradio.de: Zu seinem 70. Todestag gibt es zahlreiche Würdigungen. Freuen Sie sich darüber, dass Ihr Großonkel heute noch so ein großes Thema ist?

Bonhoeffer: Es ehrt natürlich, wenn jemand in dieser Weise im Gedenken gehalten wird, wenn diese Person wichtige Impulse, Glaubensimpulse auch, für Menschen gibt und wenn an der Stelle über Totalitarismus und wie man sich in ihm verhält, nachgedacht wird. Dietrich Bonhoeffer war ein Widerstandskämpfer. Also muss man sich mit Widerstand gegen ungerechte Strukturen beschäftigen und dazu Stellung beziehen. 

domradio.de: Der katholische Kurienkardinal Ludwig Gerhard Müller hat Bonhoeffer zu seinem Todestag sehr gewürdigt. Glauben Sie, Dietrich Bonhoeffer kann auch heute noch etwas zur die Ökumene beitragen?

Bonhoeffer: Ich denke schon, dass er das er das kann. Die Art des Lebens, die Bonhoeffer geführt hat, ist aber keine spezifisch christliche. Die findet man in anderen Religionen auch. Und da kann er über die Religionen hinweg ein Vorbild sein.

domradio.de: Viele Kirchengemeinden, Schulen oder Straßen in Deutschland tragen seinen Namen. Sehen Sie darin auch seine Bedeutung für unsere Gesellschaft?

Bonhoeffer: Ja. Vor allem, was die Schulen angeht. Durch Straßen fährt man durch. Schulen leben häufig den Geist dessen, dessen Namen sie tragen, mit. 

 

Das Interview führte Matthias Friebe.


Quelle:
DR