Marx zieht Zwischenbilanz zur Münchner Missbrauchsstudie

"Ich bin auf dem Weg"

Das Erzbistum München und Freising will enger mit Betroffenen sexuellen Missbrauchs zusammenarbeiten. Die Organisation "Wir sind Kirche" attestiert dem Erzbistum unterdessen eine "eindrucksvolle Bilanz" ein Jahr nach dem Gutachten.

Ein Jahr nach Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens / © Sven Hoppe (dpa)
Ein Jahr nach Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens / © Sven Hoppe ( dpa )

Die Bedürfnisse und Belange der Betroffenen seien entscheidend für Aufarbeitung und Prävention, betonte Kardinal Reinhard Marx am Dienstag vor Journalisten in München.

Dass die Perspektive der Betroffenen in der Vergangenheit zu wenig berücksichtigt worden sei, "war unser größtes Defizit", sagte Marx. "Das müssen wir als Kirche, das muss ich als Erzbischof selbstkritisch einräumen."

Er selbst habe 2022 seine Gespräche mit Betroffenen intensiviert, sagte Marx. "Das ist nicht perfekt, da sind immer noch mehr Dinge möglich, aber ich bin auf dem Weg." Marx äußerte sich anlässlich des vor einem Jahr veröffentlichten Missbrauchsgutachtens der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW). Der Kardinal und weitere Mitglieder der Bistumsleitung nutzten den Jahrestag für eine Standortbestimmung und kündigten zusätzliche Maßnahmen an.

Hintergrund: Zum Jahrestag des Münchner Missbrauchsgutachten

Die Erzdiözese München und Freising wird am 17. Januar anlässlich "Ein Jahr neues Missbrauchsgutachten" im Rahmen einer Pressekonferenz in München Stellung nehmen. Die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl hatte dieses damals für das Erzbistum erarbeitet.

Abends findet außerdem in der Katholischen Akademie eine Podiumsveranstaltung unter dem Titel "Von Aufarbeitung und Reformbemühungen: Was haben die Kirchen und ihre Verantwortlichen für die Zukunft gelernt?" statt.

Blick auf ein Wandkreuz während der Vorstellung des Missbrauchsgutachtens im Erzbistum München und Freising / © Sven Hoppe (dpa)
Blick auf ein Wandkreuz während der Vorstellung des Missbrauchsgutachtens im Erzbistum München und Freising / © Sven Hoppe ( dpa )

So soll die im vergangenen Sommer eingerichtete Stabsstelle "Seelsorge und Beratung für Betroffene von Missbrauch und Gewalt" personell ausgebaut werden. Derzeit ist sie mit einem Priester, der selbst als Kind von einem Geistlichen missbraucht wurde, und zwei Psychologinnen mit Therapieerfahrung besetzt. In der Stelle sind seit Juli vergangenen Jahres 100 Anrufe aus ganz Deutschland eingegangen.

An Präventionsschulungen im Erzbistum wirkt inzwischen ein Betroffener mit.

"Wir sind Kirche" sieht positive Entwicklung

Die Organisation "Wir sind Kirche" sieht ein Jahr nach der Vorstellung des zweiten Münchner Missbrauchsgutachtens eine positive Entwicklung in Sachen Aufarbeitung bei der Erzdiözese München und Freising. Die Initiative sprach von einer "eindrucksvollen Bilanz", die am Dienstag in München von den Verantwortlichen des Erzbistums präsentiert worden sei. Dabei habe sich auch gezeigt, "wie unverzichtbar die Zusammenarbeit mit den von Missbrauch und Gewalt Betroffenen ist".

Zugleich sei deutlich geworden, wie notwendig grundsätzliche kirchliche Reformen in Bezug auf Machtkontrolle, Priesterbild, Frauenfrage und Sexualmoral in der Kirche seien, merkte die Initiative an. All dies werde auf dem Synodalen Weg, der Reformdebatte der katholischen Kirche in Deutschland, und im weltweiten synodalen Prozess von Papst Franziskus thematisiert. Die kontinentale Versammlung des synodalen Prozesses im Februar in Prag werde zeigen, dass Themen und Methodik des deutschen Reformprojekts kein Sonderweg seien. Das Vorgehen in Deutschland stelle vielmehr einen wichtigen Katalysator dar, um die weltweite Kirchenkrise anzugehen.

Stofftasche mit Wir sind Kirche Aufdruck / © Harald Oppitz (KNA)
Stofftasche mit Wir sind Kirche Aufdruck / © Harald Oppitz ( KNA )

Mit Rückblick auf die Präsentation des Gutachtens im Januar 2022 komme aber auch das "höchst unglückliche Aussageverhalten" des früheren Münchner Erzbischofs, Kardinal Joseph Ratzinger, später Papst Benedikt XVI., wieder in Erinnerung, hieß es weiter. Nach dessen Tod am 31. Dezember 2022 bleibe die "brennende Frage" offen, wer jetzt Ratzingers Erbe der Verantwortung im Erzbistum München und Freising und in Rom übernehme.

Quelle:
KNA