Marx: Europa muss jüdisch-christliche Tradition erhalten

Gegen Gleichbehandlung der Religionen

Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx hat die EU und ihre Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, den Religionen mit Wertschätzung zu begegnen. Marx sagte am Donnerstagabend in Brüssel, es gebe keine Alternative zu einem gemäßigt laikalen Staat. Gleichzeitig aber dürfe sich der Staat nicht nur auf Toleranz der Religionen und Gewährung der Religionsfreiheit beschränken, sondern müsse ein positives Verhältnis zu ihnen entwickeln.

 (DR)

Die spannende Frage werde sein, wie der im neuen EU-Vertrag vorgesehene Dialog mit den Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften mit Leben gefüllt werde.

Der Erzbischof wandte sich ausdrücklich gegen eine Gleichbehandlung aller Religionen und verteidigte die Sonderstellung der Kirchen beim Religionsunterricht und im Staatskirchenrecht. Es gehe es nicht darum, der Kirche Privilegien zu schaffen, doch sei unbestreitbar, dass die jüdisch-christliche Tradition Europa erst möglich gemacht habe. «Die Kirche möchte nur wahrgenommen werden in ihrer Bedeutung, die sie hatte und hat», sagte Marx wörtlich.

Positives Engagement der Kirche für Europa gefordert
An die Kirche appellierte der Erzbischof, den europäischen Einigungsprozess mit einem «positiven Engagement» zu begleiten. Er kritisierte, dass es in einigen Bischofskonferenzen Tendenzen gebe, Europa die Schuld an gesellschaftlichen Problemen zu geben. Diskussionen über die Familie oder den Schwangerschaftsabbruch seien «nicht von Europa induziert», sondern kämen aus den jeweiligen Gesellschaften selbst. Marx verteidigte zugleich die EU-Grundrechtecharta. Es sei nicht gut, wenn sie in kirchlichen Kreisen gelegentlich negativ gesehen werde. Das darin enthaltene Menschenbild «können wir eigentlich nur begrüßen», so der Erzbischof.

Marx ging auch auf den Streit um einen Gottesbezug in der Präambel zu den EU-Verträgen ein. «Eigentlich hätte es gereicht, wenn die Staats- und Regierungschefs geschrieben hätten: 'Wir stellen fest: Wir sind nicht Gott'», so der Erzbischof. Genau dies sei mit einem Gottesbezug gemeint. Ehrfurcht vor der Schöpfung oder der für Europa grundlegende Gedanke der Versöhnung ließen sich direkt aus der Gottesebenbildlichkeit des Menschen ableiten. Marx sprach bei einer Veranstaltung zum zehnjährigen Bestehen des EU-Büros der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Brüssel.