Marode sächsische Dorfkirche wird "Kirche des Jahres 2024"

"Ein großer Schatz"

Im 15. Jahrhundert wurde die Dorfkirche in Selben bei Leipzig gebaut. In DDR-Zeiten wäre sie fast dem Tagebau zum Opfer gefallen. Dass sie heute noch steht, ist der Dorfgemeinschaft zu verdanken. Grund genug für eine besondere Ehrung.

Dorfkirche in Selben (EKD)
Dorfkirche in Selben / ( EKD )

DOMRADIO.DE: Die Dorfkirche in Selden wurde von der evangelischen Stiftung KiBa als "Kirche des Jahres 2024" ausgezeichnet. Sie ist wegen Baufälligkeit allerdings im Moment nicht öffentlich zugänglich. Was muss noch passieren, damit die Kirche wieder nutzbar wird?

Pfarrer Daniel Senf (Kirchenkreis Torgau-Delitzsch): In der Kirche muss alles gemacht werden. Man fängt an mit der statischen Absicherung an, das ist ein großer Bauabschnitt, den wir im Moment angehen, zusammen mit der sogenannten inneren Raumschale. Das heißt, die grundlegenden Sicherungsarbeiten müssen vorgenommen werden, aber auch einfach alles, was den Innenraum wieder einigermaßen schön und nutzbar macht. Das sind im Moment also zwei Bauabschnitte. Bis wir mit allem fertig sind, ist es noch ein langer Weg. Dafür brauchen wir noch viel Unterstützung.

Dorfkirche in Selben (EKD)
Dorfkirche in Selben / ( EKD )

DOMRADIO.DE: Die Kirche ist im Moment noch gesperrt?

Senf: Genau, sie ist kurz vor Weihnachten 2019 gesperrt worden. Im Moment dürfen nur die Arbeiter rein.

DOMRADIO.DE: Der Ort Selben hat gerade mal 700 Einwohner. War es denn schwierig, Menschen zu motivieren um mitzuhelfen?

Senf: Das ist ein guter Bezugspunkt zur Auszeichnung als "Kirche des Jahres". Ehrlich gesagt sind wir keine besonders prunkvolle Kirche – aber die Geschichte, die die Kirche erzählt, ist besonders. Und das hat etwas mit den Leuten im Ort zu tun. In unserer Region war der Braunkohle-Tagebau ein großes Thema und damit auch die Sorge um die Zukunft der Ortschaften. Niemand wusste, ob unsere Ortschaften dem Tagebau zum Opfer fallen. Nach der politischen Wende, in den 1990er Jahren wurde klar: Das Dort hat eine Zukunft und wurde sogar zum Zuzugsort im Speckgürtel von Leipzig.

Pfarrer Daniel Senf

"Ehrlich gesagt sind wir keine besonders prunkvolle Kirche."

Um diese kleine Kirche ist eine richtige Gemeinschaft entstanden, von Einheimischen, Zugezogenen, von Menschen aus ganz unterschiedlichen Altersgruppen. Insofern hat die Kirche in ihrer Ruinösität eine richtige Gemeinschaft wachsen lassen.

DOMRADIO.DE: Sie sind als evangelischer Pfarrer für 16 Gemeinden in der Region verantwortlich. Konnten Sie sich dann überhaupt bei dieser einen speziellen Kirche einbringen?

Senf: Das ist tatsächlich von ganz alleine geschehen, weil mich diese Kirche in Selben von meinem ersten Tag an begleitet hat. Als ich damals meinen Dienst angetreten habe, war Selben einer meiner ersten Wege, um beim Glockensachverständigen ein Läuteverbot zu beantragen, weil die Kirche so kaputt war. Das war jetzt vor zwölf Jahren. Seitdem ist die Kirche nicht nur mir ans Herz gewachsen, sondern auch vielen Leuten, mit denen ich zusammenarbeite.

DOMRADIO.DE: Wann werden die Glocken denn wieder läuten dürfen?

Senf: Wir hoffen, dass das im nächsten Jahr sein wird, wenn die grundlegenden Arbeiten abgeschlossen sind.

DOMRADIO.DE: Was hat es denn für die Gemeinde bedeutet, dieses Projekt gemeinsam zu stemmen?

Senf: Ein großer Schatz ist, dass nicht nur das Gebäude gesichert wird, sondern wir uns auch die Frage stellen, was mit der Nutzung geschieht. Es ist klar, wir haben in der Region einen relativ geringen Prozentsatz an Christen in der Bevölkerung. Das wird in Zukunft also nicht nur eine Kirche sein können, sondern ein multifunktionaler Raum für das Dorf und die ganze Region.

DOMRADIO.DE: Da motiviert die Auszeichnung als Kirche des Jahres sicher auch noch mal mehr …

Senf: Die ist ein großes Glück, weil sie unser Anliegen auch noch mal überregional deutlich macht. Die Menschen merken, dass nicht nur sie vor Ort Anteil nehmen, sondern jetzt Menschen im ganzen Land aufmerksam werden auf dieses kleine Schmuckstück.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Kirche des Jahres 2024" steht in Selben

Die Dorfkirche im sächsischen Selben ist die "Kirche des Jahres 2024" der Stiftung 
zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (Stiftung KiBa). Bei der 
Abstimmung über diesen undotierten Publikumspreis entfielen 640 Voten auf das 
Gotteshaus; knapp dahinter lag mit 587 Stimmen die Martinskirche in Zainingen 
(Baden-Württemberg). Dritte Siegerin ist die Dorfkirche Schweinitz (Sachsen-
Anhalt), die 554 Voten erhielt. 

Knapp 5000 Personen beteiligten sich per Post und online an dem Wettbewerb, 

Dorfkirche in Selben (EKD)
Dorfkirche in Selben / ( EKD )
Quelle:
DR