Vatikan-Experte sieht neues Anti-Korruptions-Gesetz skeptisch

"Man müsste das stärker durchdenken"

Papst Franziskus hat im Vatikan neue Regeln für Spitzenbeamte angekündigt, um Korruption vorzubeugen. Der Journalist und Vatikan-Kenner Ulrich Nersinger sieht zwar die Notwendigkeit, hält das neue Regelwerk aber für schwer durchführbar.

Kuppel des Petersdoms vor dunklem Himmel / © Cristian Gennari (KNA)
Kuppel des Petersdoms vor dunklem Himmel / © Cristian Gennari ( KNA )

DOMRADIO.DE: Schon vergangenes Jahr im Herbst hat Papst Franziskus gesagt, dass es sich bei der Korruption im Vatikan um ein tief sitzendes Problem handelt. Warum?

Ulrich Nersinger (Journalist und Vatikan-Experte): Korruption ist ein Phänomen, das überall auftaucht und natürlich auch den Vatikan nicht verschont. Im Vatikan haben wir ja nun auch ein Regierungssystem, das nicht demokratischen Vorschriften folgt.

Wir haben hier keine Gewaltenteilung im klassischen Sinne. Alle Macht geht auf den Papst zurück. Der Papst führt auch alle Machtinstrumente aus und dadurch ist natürlich eine Kontrolle etwas schwieriger als in einem normalen Staat, wenn ich das Wörtchen "normal" hier verwenden darf.

DOMRADIO.DE: Nach den neuen Regeln müssen alle hochrangigen Mitarbeiter schriftlich bezeugen, dass gegen sie nicht Ermittlungen wegen Korruption, Betrug, Geldwäsche oder Steuerflucht laufen oder liefen. Sind das die Dinge, die in der Vergangenheit oft vorgekommen sind?

Nersinger: Ich würde das gar nicht so sehen. Das ist auch eine Forderung, die nur schwer aufrechtzuerhalten und die nur schwer durchzuführen ist. Denn es gibt ja auch Fälle, wo gegen einen ermittelt werden könnte und derjenige das gar nicht weiß, weil diese Ermittlungen im Stillen laufen.

Das sind so Sachen, die noch nicht so ganz ausgegoren sind und die einen dann auch leicht in einen Verdacht bringen können, der aber dann nur ein Verdacht ist.

DOMRADIO.DE: Nach den neuen Regeln müssen hochrangige Angestellte des Heiligen Stuhls auch erklären, dass sie nie wegen Terrorismus oder Ausbeutung von Minderjährigen verurteilt oder vor Gericht gestellt wurden. Ist so etwas wie Terrorismus schon mal vorgekommen?

Nersinger: Insoweit, dass man zum Beispiel mal Mitarbeiter bis in den Kardinalsrang hinein hatte, die politischen Richtungen folgten, die nicht gerade für eine Gesellschaft förderlich sind.

Ich denke an die Vergangenheit, wenn man sich dem Nationalsozialismus, dem Faschismus oder auch kommunistischen Ideen verbunden fühlte und damit den Heiligen Stuhl in Bedrängnis brachte.

DOMRADIO.DE: Auch Geschenke über 40 Euro dürfen in Zukunft nicht mehr angenommen werden. Welche absurden Geschenke hat es da in der Vergangenheit schon gegeben?

Nersinger: Die Absurdität wird noch kommen, denn man bekommt viele Geschenke überreicht. Das ist ja auch eine durchaus sinnvolle Sache, denn kleine Geschenke sind ein schönes Zeichen. Aber wie soll ich dann all den Wert eines Geschenks überhaupt erfassen?

Nehmen wir eine Flasche Wein. Ich weiß doch gar nicht, wie teuer dieser Wein ist. Eine Flasche Wein kann fünf, sechs Euro wert sein, kann aber auch hundert Euro sein. Oder es gibt auch Geschenke, deren Wert ich kaum einschätzen kann wie zum Beispiel einen Kunstdruck.

Dies direkt zu verweigern und zu sagen "Nein, das darf ich nicht nehmen", kann auch eine Situation schaffen, die nicht gerade sehr positiv ist.

DOMRADIO.DE: Wieviel bringen diese neue Regeln? Nichts?

Nersinger: Kaum etwas. Ich vermeide das Wörtchen "nichts", weil ich meine, dass es notwendig ist. Aber man müsste das vielleicht stärker durchdenken. Wir hatten im vergangenen Jahr auch das Gesetz für mehr Transparenz bei der Vergabe von Bauaufträgen. Das ist sehr, sehr schwierig.

Wir bewegen uns da auch - wie man in Köln sagen würde - ein bisschen im Bereich des Klüngels. Wir bewegen uns ein bisschen im Bereich der Grauzonen. Das ist nicht schwarz und weiß. Das ist alles sehr, sehr schwer durchzuführen. Und dann ist es auch schwer, ein richtiges Urteil darüber zu finden.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR
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