Mainzer Bischof Kohlgraf will Kirche mitten in der Gesellschaft

"Wirklich offen für alle"

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf wünscht sich eine Kirche, die wirklich offen für alle ist. Er erklärt auch, warum er es problematisch findet, wenn manche Gruppen den Begriff der "Neuevangelisierung" als Kampfbegriff benutzen.

Bischof Peter Kohlgraf / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bischof Peter Kohlgraf / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf wirbt für eine offenere katholische Kirche, die sich nicht in eine "Sonderwelt" zurückzieht, sondern mitten in der Gesellschaft steht. "Von einem 'Heiligen Rest' halte ich nichts. Ich wünsche mir eine Kirche, die wirklich offen ist für alle", sagte er in einem Interview des Portals katholisch.de. Eine solche Haltung sei entscheidend, wenn die Kirche in Deutschland angesichts schwindender Mitgliederzahlen glaubwürdig bleiben wolle, fügte er hinzu. Kirche müsse immer wieder im Alltag zeigen, dass sie "etwas zu bieten hat, bei dem die Menschen merken, dass es etwas mit ihrem Leben zu tun hat".

Entscheidend sei weniger die Größe der Gemeinschaft als vielmehr die Glaubwürdigkeit ihrer Mitglieder, so Kohlgraf weiter. Kirche müsse Orte und Gelegenheiten schaffen, an denen Begegnung und Vertrauen wachsen könnten - etwa in Kitas, Schulen und sozialen Projekten. Hier könne Glaube erfahrbar werden, ohne aufdringlich zu wirken. Mit Blick auf innerkirchliche Debatten warnte der Bischof davor, Evangelisierung nur als Weitergabe der kirchlichen Lehre zu verstehen: "Menschen finden nicht allein durch Erklärungen zum Glauben." Wichtiger seien Erfahrungen und authentische Vorbilder.

Neuevangelisierung als Kampfbegriff

Kritisch äußerte sich Kohlgraf zum Begriff der "Neuevangelisierung", der "zuweilen zu einem Kampfbegriff geworden" sei und spaltend wirken könne. Oft werde der Begriff so benutzt, "dass da eine Gruppe loszieht, die das Evangelium besitzt - und weiß, wie es geht. So einfach geht das nicht". Auch den häufig damit verbundenen Wunsch nach einer guten alten Zeit, in der es "einst so etwas wie einen idealen Endzustand von Evangelisierung" gegeben habe, stellte der Bischof infrage: "Nur weil Kirchen früher voller waren, war der Glaube nicht automatisch stärker." Der oft damit verbundene Vorwurf aus der Weltkirche, Deutschland evangelisiere zu wenig, greife für ihn zu kurz.

"Auch die Arbeit an einer glaubwürdigen Gestalt der Kirche ist Evangelisierung", betonte Kohlgraf. Und dazu gehörten auch Reformen an Strukturen, wenn diese in ihrer bisherigen Form die Menschen eher vom Glauben wegführten. "Ich wehre mich dagegen, Inhalt und Struktur gegeneinander auszuspielen", ergänzte der Bischof. Beides habe miteinander zu tun: "Wenn wir feststellen, dass etwa Themen wie Geschlechtergerechtigkeit oder Sexualmoral im Kontext des Evangeliums neu bewertet werden müssen, sollten wir dies angehen. Dass es nicht bei Strukturdebatten bleiben darf - da sind wir uns in Deutschland alle einig."

Neuevangelisierung

Der Begriff Neuevangelisierung bezeichnet eine vom Papst und der katholischen Kirche seit dem späten 20. Jahrhundert intensiv verwendete Bezeichnung für die Erneuerung der missionarischen Dynamik des Christentums in ehemals christlich geprägten Gesellschaften. Er zielt nicht auf eine "zweite" oder "andere" Evangelisierung, sondern auf die Wiederbelebung des Glaubens dort, wo er durch Säkularisierung, Individualisierung und gesellschaftliche Umbrüche an Kraft und Selbstverständlichkeit verloren hat.

Eine Frau betet mit Kreuz in der Hand über einer Bibel / © Doidam 10 (shutterstock)
Eine Frau betet mit Kreuz in der Hand über einer Bibel / © Doidam 10 ( shutterstock )
Quelle:
KNA