Vier Opfer Argentiniens Militärdiktatur seliggesprochen

"Märtyrer der Konzilsbeschlüsse"

Vor über 40 Jahren wurden sie in Argentiniens dunkelster Zeit ermordet – weil sie für Gerechtigkeit eintraten. An diesem Samstag sind nun Bischof Angelelli, zwei Priester und ein Gemeindemitglied als Märtyrer seliggesprochen worden.

Autor/in:
Alexander Brüggemann und Sabine Kleyboldt
Eine Schwester steht vor einem Wandgemälde von Bischof Angelelli / © David Agren (KNA)
Eine Schwester steht vor einem Wandgemälde von Bischof Angelelli / © David Agren ( KNA )

Nein, die argentinischen Bischöfe waren sich damals keineswegs einig, wie mit den Menschenrechten der Bürger umzugehen sei. Während der Militärdiktatur (1976-1983) verschwanden rund 30.000 Menschen: verschleppt in landesweit rund 500 Folterzentren, die meisten getötet, per Flugzeug über dem Meer abgeworfen. Auch viele Kirchenvertreter gerieten ins Visier staatlich beauftragter Mörder: jene "Linken", die sich für die Belange der Unterdrückten einsetzten.

Einer von ihnen war der Bischof von La Rioja, Enrique Angelelli. Er wurde 1976 beseitigt - genau wie zwei Priester und ein Gemeindemitglied aus seinem Umfeld. Am Samstag werden die vier in La Rioja als Märtyrer seliggesprochen.

"Unmittelbar nach dem Putsch setzte Staatsterror von rechts ein"

Im Umfeld des Militärs und Teilen des Episkopats machte man Mitte der 70er Jahre die Regierung Peron für das grassierende Chaos und die Gewalt im Land verantwortlich. Als der Katholik General Jorge Rafael Videla (1925-2013) im März 1976 unter dem Zeichen der "Ordnung" putschte, sagten viele im Land befriedigt: "Die schwarze Scheiße geht!" Dabei wurde der Bock gerade zum Gärtner.

Unmittelbar nach dem Putsch setzte Staatsterror von rechts ein: nächtliche Abholaktionen, Folter, Verschwindenlassen. "Reinigungsprozess" wurde das genannt - und mit der Zustimmung einiger Bischöfe und teils aktiver Unterstützung von Priestern durchgeführt.

Argentiniens Bischofskonferenz erklärte am 15. Mai 1976: "Man muss bedenken, dass es einfach wäre, sich mit bestem Willen gegen das Gemeinwohl zu irren, wenn man wollte, dass Sicherheitskräfte mit der gleichen chemischen Reinheit agierten wie in Friedenszeiten." Da das Land aber eine tiefe Krise durchlebe, könnten nicht dieselben Maßstäbe gelten - eine Art Persilschein für obrigkeitliche Menschenrechtsvergehen.

Bischof Angelelli: "Mit einem Ohr am Evangelium und einem Ohr beim Volk"

Bischof Angelelli gehörte jener Gruppe von Bischöfen an, die die Verbrechen der Junta furchtlos anprangerten. Sein Leitspruch: "Mit einem Ohr am Evangelium und einem Ohr beim Volk." Zu den Opfern der ersten Monate gehörten auch zwei Priester seiner Diözese La Rioja, Carlos Murias und Gabriel Longueville, sowie das Gemeindemitglied Wenceslao Pedernera. Angelelli reiste persönlich in das Dorf Chamical, um die Morde aufzuklären und die Opfer zu beerdigen.

Am 4. August, auf der Rückfahrt, wurde Angelellis Wagen von einem weißen Peugeot abgedrängt. Nach einer Vollbremsung überschlug sich das Auto. Als Angelellis Beifahrer später das Bewusstsein wiedererlangte, fand er den 53-jährigen Bischof mit eingedrücktem Schädel, die Arme wie am Kreuz ausgestreckt. Belastende Dokumente waren sowohl aus dem Auto wie aus der durchwühlten Bischofswohnung verschwunden.

Die offizielle Version eines schlechten Autofahrers, der durch eigenes Verschulden ums Leben gekommen sei, wurde von der Bischofskonferenz nicht angefochten. Erst nach Ende der Diktatur kam eine gerichtliche Untersuchung zu dem Schluss: Es war ein Auftragsmord. Im Juli 2014, fast 38 Jahre nach der Tat, wurden zwei hochbetagte Ex-Militärs zu lebenslanger Haft verurteilt.

Mit Papst Franziskus - zu Diktaturzeiten Provinzial der argentinischen Jesuiten und mit Angelelli gut bekannt - hatte der Ermordete zuletzt einen starken Fürsprecher im Vatikan.

Damals schon, als Erzbischof von Buenos Aires, sagte Jorge Mario Bergoglio zum 30. Jahrestag des Mordes 2006 in der Kathedrale von La Rioja: "Bischof Angelelli war ein Mann, der sein Volk liebte und es auf seinem Weg begleitete, bis in die Randbezirke (...). Er war überzeugt, dass im Innern jedes Menschen (...) ein Plan Gottes verborgen sei."

Becciu: "Märtyrer der Konzilsbeschlüsse"

Kurienkardinal Angelo Becciu nahm in La Rioja als Vertreter des Papstes die Seligsprechung vor. In seiner Predigt nannte er Becciu die vier Märtyrer "Vorbilder christlichen Lebens".

Während die damalige Junta jeden Einsatz für soziale Gerechtigkeit mit Argwohn beäugte, hätten die Männer sich den seelsorglichen Herausforderungen gestellt: "Förderung der Schwachen, Verteidigung ihrer Würde und Bewusstseinsbildung im Rahmen der kirchlichen Soziallehre".

Der Einsatz der vier Männer sei ganz im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils gewesen, so dass man sie auch "Märtyrer der Konzilsbeschlüsse" nennen könne. Im Juni vergangenen Jahres hatte Papst Franziskus das Martyrium der vier Männer offiziell anerkannt.

Damit war der Weg für ihre Seligsprechung und besondere regionale Verehrung frei geworden.

Beim Mittagsgebet am Sonntag auf dem Petersplatz in Rom erinnerte der Papst an die vier neuen Seligen. Ihr Beispiel und ihre Fürsprache könnten besonders "jene unterstützen, die für eine gerechtere und solidarischere Gesellschaft arbeiten".

In seiner Predigt kritisierte Becciu auch die Instrumentalisierung von Religion und Kirche durch das damalige Regime. Offiziell habe dieses sich als Verteidiger des Christentums gegeben. Dabei habe man vom Klerus und den Gläubigen aber eine passive Haltung verlangt, durch die ihr "Glaube nur zu einer äußerlichen Manifestation in Liturgie und Gottesdienst" gezwungen worden sei.


Quelle:
KNA