Machtkampf in Afghanistan

Präsident vs. Parlament

Afghanistan steht vier Monate nach der Parlamentswahl vor einer schweren innenpolitischen Krise: Hunderte neu gewählte Abgeordnete sind auf Konfrontationskurs zu Präsident Hamid Karsai gegangen, der die erste Sitzung des Parlaments erneut um einen Monat verschoben hatte.

 (DR)

Dennoch will eine große Gruppe von Parlamentariern am Sonntag tagen, wie der afghanische TV-Sender "Tolo" am Samstag (22.01.2011) berichtete. Ein Sondergericht untersucht noch immer etwa 400 Vorwürfe von Wahlbetrug und Manipulation bei der Wahl Mitte September. Karsai hatte argumentiert, die Verschiebung der Eröffnungssitzung sei nötig, damit diese Fälle geklärt werden könnten. Die Vertretung der Vereinten Nationen in Kabul zeigte sich "besorgt und überrascht" über die Entwicklung. "Afghanistans friedliche Zukunft liegt in der Bildung starker demokratischer Institutionen", erklärten die UN.



Bereits vor der Bekanntgabe der Endergebnisse hatte es Proteste gegen den Urnengang vom 18. September gegeben. Die Resultate hatten sich wegen umfangreicher Nachzählungen und des Ausschlusses von Kandidaten stark verzögert. Eine Kommission musste über 6.000 Beschwerden prüfen.



Fast 2.500 Kandidaten angetreten

Die Regierung von Präsident Karsai ist nach Einschätzung einiger Beobachter unzufrieden mit der Arbeit der Wahlkommission, weil sie auch Kandidaten aus dem Karsai-Lager gestrichen habe. Danach schaltete sich die Generalstaatsanwaltschaft in die Angelegenheit ein und begann Ermittlungen gegen Mitglieder der Wahlkommission.



Zur Abstimmung für das neue Abgeordnetenhaus waren fast 2.500 Kandidaten angetreten. Wegen Unregelmäßigkeiten und Massenbetrugs hatte die Wahlkommission angeordnet, über 1,3 Millionen Stimmzettel neu auszuwerten.Unabhängige Beobachter sprachen bereits am Wahltag von Stimmenkauf, Einschüchterung der Wähler und gefälschten Wahlzetteln. Auch die Präsidentschaftswahl 2009 war von massivem Wahlbetrug überschattet gewesen. Monatelang war über das Endergebnis gestritten worden.