Lutherstätten in Sachsen-Anhalt hoffen auf Jubiläumsjahr 2017

Reformation und Rendite

Vierzig Jahre DDR haben den Osten Deutschlands weitgehend entchristlicht. Doch an den Wirkungsstätten Martin Luthers, dessen 525. Geburtstag die evangelische Kirche am Montag feiert, bleibt die Erinnerung an die Reformation wach. Vor allem mit Hinblick auf den 31. Oktober 2017, wenn sich der berühmte Thesenanschlag von Wittenberg zum 500. Mal jährt.

Autor/in:
Bernd Buchner
 (DR)

Die Protestanten erhoffen sich von dem Jubiläum einen geistlichen Aufschwung, die heimische Wirtschaft setzt auf einträgliche Geschäfte. Schon jetzt lässt der bevorstehende Gedenktag die Tourismuszahlen in der Region ansteigen.

Ein hochrangig besetztes Kuratorium bereitet die Feierlichkeiten vor. Ihm gehören auch die Ministerpräsidenten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) an. Der warnt zwar vor einer evangelischen "Jubelfeier", gegen den wirtschaftlichen Mehrwert dürfte er indes wenig einzuwenden haben. Die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) kündigte bereits an, sie wolle 2017 das Reformationsjubiläum zum Schwerpunkthema machen.

Eine ganze Region hofft
Nicht nur die Lutherstädte Eisleben und Wittenberg, die ganze Region hofft auf das Reformationsgedenken. In Halle etwa zeigt die Marienbibliothek, die älteste evangelische Bibliothek überhaupt, Erstausgaben der gesammelten Werke Luthers sowie der Lutherbibel. Und das Landesmuseum für Vorgeschichte wird in diesen Tagen zum Mekka für historisch Interessierte: Dort zeigt die Sonderausstellung "Fundsache Luther" Gegenstände aus dem Alltag des Reformators, auch Flöten und Schellen, mit denen der kleine Martin gespielt hat. Die Exponate stammen aus Grabungen in Mansfeld, wo Luther aufwuchs, aus Wittenberg sowie aus Eisleben.

Das dortige Geburtshaus ist soeben fertig renoviert worden, öffnet seine Pforten als Museum und Erinnerungsstätte. Auch Luthers Taufstein ist dort zu sehen, der aus mehreren Bruchstücken wieder zusammengesetzt wurde. Eisleben veranstaltet zu Luthers Geburtstag ein umfangreiches Fest- und Gedenkprogramm, die ganze Stadt ist nächste Woche auf den Beinen. Bürgermeister Eckhard Naumann und seine Wittenberger Kollegin Jutta Fischer wollen in den kommenden Jahren die Übernachtungs- und Parkmöglichkeiten in beiden Städten erweitern, öffentliche Einrichtungen werden auf ihre Barrierefreiheit überprüft.

Stolz sind Kirchen und Tourismusverbände in Sachsen-Anhalt auf den Lutherweg, der im vergangenen März eröffnet worden war. Die 410 Kilometer lange Strecke für Wanderer und Radfahrer verbindet die wichtigsten Lebensstationen des ehemaligen Mönchs - und zeigt zugleich, wie sehr das Pilgern, einst eine katholische Domäne, inzwischen Eingang in die evangelische Spiritualität gefunden hat. Der mit einem stilisierten "L" gekennzeichnete Weg führt unter anderem durch Wörlitz, Dessau, Zerbst, Köthen, Eisleben und Mansfeld - Start und Ziel indes ist Wittenberg.

Schon jetzt 80.000 Übernachtungen
Luther kam erstmals 1508 nach Wittenberg, lebte und lehrte bis an sein Lebensende im "evangelischen Rom". Und der Mythos lebt: Schon jetzt werden in der Stadt 80.000 Übernachtungen jährlich gezählt, die Vermarktungsstrategie ist ganz auf die Reformation abgestellt. Zur "Lutherhochzeit" am 13. Juni gibt es jeweils ein großes Stadtfest, am 31. Oktober bestaunen die Besucher nicht nur die Tür der Schlosskirche, wo Luther seine Ablassthesen angeschlagen haben soll, sondern finden sich auch in einem Markttreiben des 16.
Jahrhunderts wieder.

An diesem Reformationstag durften in Wittenberg sogar die Geschäfte öffnen - das scheint nicht ganz im Einklang zu stehen mit der Forderung von EKD-Ratschef Huber, den 31. Oktober zum staatlich geschützten Feiertag zu machen. Reformation und Rendite - eine schwierige Balance. Der Markt für "religiös motivierte Reisen" ist laut Statistik gewachsen, vor allem auf Touristen aus den USA richten sich die Hoffnungen. "Die kaufkräftigen US-Amerikaner sind finanziell bedeutsam", sagt Wittenbergs Marketingleiter Hartmut Friedrich. Die DZT und Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff pflichten ihm bei.

Vor einigen Monaten nahm sich sogar der Bundestag in Berlin des Themas 2017 an, ein deutschlandweit abgestimmtes Konzept zur internationalen Vermarktung wurde angeregt. Zugleich aber hieß es, das Reformationsjubiläum solle mit einer "öffentlichen Debatte über die christlichen Wurzeln des Abendlandes" verbunden werden. Die evangelische Kirche wird gut daran tun, die geistlichen Aspekte der 500-Jahrfeier nicht zu vernachlässigen. Schon jetzt steigen nicht nur die Besucherzahlen, sondern auch jene der Gottesdienste, die mit der Musik und der Liturgie aus der Reformationszeit gefeiert werden. Auch die "Lutherische Messe" boomt.