"Lutherdekade" soll auf 500-Jahrfeier der Reformation einstimmen

Er ist ein Wittenberger

Auftakt zur "Lutherdekade": Mit einem festlichen Veranstaltungsreigen haben die deutschen Protestanten am Wochenende in Wittenberg die Einstimmung auf den 500. Jahrestag der Reformation 2017 begonnen. Dabei will die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) nicht nur das Erbe der Reformation aufzeigen, sondern auch deren Aktualität. Das Wochenende in jener Stadt, die durch Martin Luther (1483-1546) weltbekannt wurde, bot eine Mischung aus kirchlicher Reflexion, geistlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Veranstaltungen sowie einer ordentlichen Portion historischer Folklore.

Folklore ist mit im Spiel: Luther in Wittenberg (epd)
Folklore ist mit im Spiel: Luther in Wittenberg / ( epd )

Erwartungsvoll gab sich EKD-Ratsvorsitzender Bischof Wolfgang Huber mit Blick auf die Dekade. Die Faszinationskraft Luthers könne «Entdeckerfreude» auslösen, unterstrich er bei einer Festversammlung in der Wittenberger Schlosskirche, wo der Reformator und sein Mitstreiter Philipp Melanchthon begraben liegen. Das Thema der Freiheit, das die nächsten Jahre prägen solle, sei heute von «unüberbietbarer Aktualität», so der Berliner Bischof. Die Freiheit von Not und Furcht habe gegenwärtig große Dringlichkeit. Eine Jubelfeier solle es aber nicht werden. «Die Gefahr der Verklärung besteht nicht.»

Auch der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), Bischof Mark S. Hanson, warnte vor allzu viel Luther-Nostalgie. Der Blick der weltweit rund 68 Millionen Lutheraner müsse eher nach vorne gerichtet werden, sagte er in seiner Predigt im Festgottesdienst, der der Eröffnung vorausging. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) konnte dem US-Bischof nur beipflichten. Er wandte sich mit Blick auf 2017 gegen eine «protestantische Nabelschau». Ein Jubiläum berge stets gewisse Gefahren, so der Minister, und zum Jubeln hätten beide großen Kirchen in Deutschland zurzeit eher wenig Grund.

Der Auftakt zur Lutherdekade erfolgte genau 500 Jahre nach der Ankunft des späteren Reformators in Wittenberg. Seit September 1508 lehrte der Mönch des Augustinereremitenordens an der Universität der Stadt, dort entwickelte er sein theologisches Programm, das zum Streit mit Rom und schließlich zur Kirchenspaltung führte. Der legendäre Thesenanschlag vom 31. Oktober 1517 gilt als Beginn der Reformation, gut zwei Jahre später wurde Luther als Häretiker exkommuniziert. Heute zählen die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen zusammen weltweit rund eine halbe Milliarde Mitglieder.

In Wittenberg selbst allerdings gibt es nur noch 15 Prozent Christen. Dennoch war die Beteiligung der Bevölkerung beim Auftakt der Dekade bemerkenswert. Großen Zuspruch erhielt das Klosterfest am Samstag rund um das Lutherhaus, wo die Veranstalter zu historischem Markttreiben, Führungen und Buchvorstellungen einluden. Ein Luther-Darsteller sprach dabei die denkwürdigen Worte: «Vielleicht werde ich eines Tages mit Stolz sagen, ich bin ein Wittenberger.» Auch beim abendlichen Licht-Feuer-Theaterspektakel «Aufbruch zur Freiheit» war der Marktplatz prall gefüllt, die Zuschauer begeistert.

Begleitet wurde das vielfältige Programm auch von wissenschaftlichen Akzenten. Die Luther-Gesellschaft, die der jungen Theologin Sibylle Rolf ihren jährlichen Preis verlieh, ging bei einem gutbesuchten Seminar der Frage nach der Wirkungsgeschichte der Reformation nach - und scheute dabei auch nicht den Ausblick auf das Jahr 2017. Das reformatorische Erbe könne auch in der modernen Welt wichtige Beiträge leisten, so der Kieler Theologe Johannes Schilling, allerdings in «konfessioneller Vielfalt und ökumenischer Gemeinschaft».

Zur Ökumene allerdings stehen die Vorbereitungen für das Reformationsgedenken gegenwärtig noch etwas quer. Der «Luther»-Film mit Joseph Fiennes etwa, der zum Auftakt des Wittenberger Wochenendes gezeigt wurde, baut eine Heiligenlegende auf und vergröbert das historische Geschehen auf für Katholiken schwer erträgliche Weise. Das räumte auch Wittenbergs berühmter Pfarrer Friedrich Schorlemmer ein. Der katholische Magdeburger Bischof Feige blickt dem Jahr 2017 bisher mit gemischten Gefühlen entgegen. Er fragt: «Wird es eine protestantische Jubel- und Profilierungsfeier mit antikatholischen Spitzen?» Der Auftakt zur Dekade hat die Bedenken noch nicht zerstreut.