Lula ist nicht mehr Brasiliens Präsident

Im Unruhestand

Seit Anfang des Jahres ist Luiz Inacio Lula da Silva nicht mehr Präsident. Nach zwei Amtszeiten durfte er nicht wieder antreten. Gespannt sein darf man, was er in Zukunft anstellen wird: Was macht ein Mythos wie er, der vor Energie, Gesundheit und Tatendrang strotzt - aber erst einmal zum Nichtstun verdammt ist?

Autor/in:
Thomas Milz
 (DR)

Schon bei der Präsidentschaftswahl im Oktober zeichnete sich für da Silva ab, dass etwas nicht stimmte. "Ich habe mich erschrocken, als ich sah, dass mein Name nicht auf dem Wahlzettel stand," sagte der 65-Jährige damals beim Verlassen des Wahllokals. Und tatsächlich war es die erste Wahl seit der Wiedereinführung der Demokratie Mitte der 80er Jahre, bei der da Silva nicht als Kandidat antrat.



Die letzten Monate seiner Amtszeit waren von einer schier endlosen Abschiedstour durch sein Riesenreich Brasilien geprägt. Scheinbar im Minutentakt weihte er Bauwerke ein, vergab Orden an verdiente Bürger, gab Interviews und hielt vor allem eins: Reden. Abschiedsreden, bei denen viele Tränen flossen. Zu sehr liebte er das Präsidentenamt, als dass er es nun einfach so aufgeben konnte. Abstreifen müsse er das Amt erst einmal, und das könnte Monate dauern, so Lula. Untertauchen wolle er, damit die neue Regierung unter Nachfolgerin Dilma Rousseff in Ruhe ihre Arbeit verrichten könne. Ohne dass Lula ständig seinen Senf zu allem dazugebe, wie er selber gerne scherzt.



Erst mal abtauchen

Zwischen einem und drei Monate werde diese "Abtauchphase" dauern, meinen Vertraute. Zeit, die der Ex-Präsident zwischen einem Strand im Nordosten und seinem privaten Apartment in Sao Bernardo do Campo aufteilen werde, so munkelt man. Schlafen wolle er, ausspannen, mit Kumpels endlich wieder eine Nacht durchzechen, ohne dass die Presse ihn einen Alkoholiker schimpft - Lula will zurück in sein normales Leben vor der Präsidentschaft. Aber das wird er nicht können, und das weiß er wohl auch. Mit 87 Prozent Zustimmung trat er am 31. Dezember ab, beliebt wie nie ein Präsident oder Politiker zuvor. Seine Kritiker konnten ihm zuletzt nichts mehr anhaben, Lula war kein Normalsterblicher mehr, sondern ist längst zu einer mythischen Figur geworden.



Was macht aber ein Mythos der wie Lula vor Energie, Gesundheit und Tatendrang strotzt, aber erst einmal zum Nichtstun verdammt ist? Zuerst einmal wird er sich wohl dem Aufbau seiner politischen Stiftung widmen, die gegen Armut in Brasilien angehen will. Dafür hat einige seiner engsten Mitarbeiter aus dem Präsidentenpalast mitgenommen, um die Stiftung zu einer Art "Think Tank" auszubauen. Das passt zu seiner Äußerung, dass er sich der Konsolidierung von Brasiliens politischem System widmen wolle. Zudem könnte er damit, wie er es selber so schön sagt, wieder seinen Senf dazu geben.



Sicher nicht lange im politischen Ruhestand

In den vergangenen Monaten gab es auch diverse Gerüchte über eine internationale Aufgabe. So wurde sein Name mit dem Posten des UN-Generalsekretärs in Verbindung gebracht, genauso wie mit der Leitung des UN-Welthungerprogramms. Schließlich sorgte Lula mit innovativen Sozialprogrammen dafür, dass die elendigste Armut und der Hunger in Brasilien praktisch verschwanden. Zumindest in den offiziellen Regierungsstatistiken. Vielleicht tritt er ja auch bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2014 wieder an. Zwar sagt er manchmal, dass er dies nicht tun werde, schließlich habe seine Nachfolgerin Rousseff das Recht auf eine zweite Amtszeit. Aber natürlich müsse Rousseff eine zweite Amtszeit erst einmal selber wollen, fügt er schnell hinzu.



Eins ist auf jeden Fall sicher: Lula wird es nicht lange im politischen Ruhestand aushalten. Es sei überraschend einfach und genussvoll gewesen, Brasilien zu regieren, sagte er vor ein paar Tagen. Und vergessen werden ihn die Brasilianer so schnell auch nicht. Tritt er noch einmal an, ist ihm ein Wahlsieg sicher. Ob er sich dieser Verführung wird entziehen können? Immerhin ist Lula Brasiliens begnadetstes "political animal". Ein Politik-Urgestein, wie sie heutzutage selten geworden sind. Solche Talente halten es nicht lange im Ruhestand aus.