Linke und rechte Regierungen kaufen im Gleichschritt neue Waffen

Südamerika rüstet auf

Militärstützpunkte der USA in Kolumbien, russische Waffen nach Venezuela, französische U-Boote für Brasilien: In Lateinamerika begeben sich die Staaten in eine neue Spirale des Wettrüstens. Dabei schien die Zeit des lauten Waffenklirrens seit dem Ende der Militärdiktaturen und Bürgerkriege in den 70er und 80er Jahren vorbei zu sein.

Autor/in:
Gerhard Dilger
 (DR)

In den vergangenen fünf Jahren haben sich die Militärausgaben auf dem Kontinent fast verdoppelt. Das Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) in London errechnete, dass die Länder
Süd- und Mittelamerikas 2008 rund 90 Prozent mehr Geld für Armee und Rüstung aufbrachten als 2003. Das gilt für Staatsmänner unterschiedlicher politischer Couleur. Die Ausgaben stiegen bei linken Regierungen wie in Venezuela ebenso wie bei rechtsregierten Staaten wie Kolumbien.

Für die US-Regierung steht der Schuldige für das Wettrüsten fest:
Der sozialistische Präsident Hugo Chávez in Venezuela sei der größte Unruhefaktor in der Region, heißt es in Washington.
US-Außenministerin Hillary Clinton zeigte sich kürzlich besorgt über neue Waffenkäufe. Sie verlangte von Chávez Aufklärung über Ziel und Zweck der Rüstungsgeschäfte und Garantien, dass die Waffen nicht in die Hände von Aufständischen oder Drogenhändler gelangen.

Zuvor hatte Chávez aus Moskau ein Darlehen über 1,5 Milliarden Euro zur Finanzierung von 92 russischen Panzern, Raketenabwehrsystemen und Raketenwerfern mitgebracht. Mit denen wolle man die Ölfelder schützen, sagte Chávez. Sie seien eine Reaktion auf die wachsende Militärpräsenz der USA in Kolumbien.

Brasilien gibt 13,5 Milliarden Euro aus
Das Abkommen zur dauerhaften Stationierung von bis zu 800 US-Soldaten in Kolumbien stößt auch bei der "Union Südamerikanischer Nationen" auf heftige Reaktionen. Kolumbiens Nachbarstaaten, allen voran Brasilien, kritisieren den langfristig angelegten Vertrag, der demnächst unterzeichnet werden soll. Die Länder wollen sogar die US-Präsenz in der Region auf Dauer verhindern. Die vom Geheimdienst CIA und US-Militärs unterstützen Militärdiktaturen in der Vergangenheit haben ihre Spuren hinterlassen.

Doch Brasilien rüstet selbst auf. Kürzlich kündigte die Regierung des bevölkerungsreichsten Landes Südamerikas umfangreiche Rüstungsgeschäfte an: 36 "Rafale"-Kampfflugzeuge, mehr als 50 Hubschrauber und vier konventionelle U-Boote sollen erworben werden. Zudem soll mit Frankreich gemeinsam ein Atom-U-Boot entwickelt werden - all das für mindestens 13,5 Milliarden Euro.

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva führt eine fast wortgleiche Begründung an wie sein Kollege aus Venezuela: Mit den U-Booten wolle Brasilien die umfangreichen, neu entdeckten Ölvorkommen vor der Atlantikküste schützen, mit den Jets die Ressourcen im Amazonasgebiet sichern. Dabei hat der Politiker der Arbeiterpartei nicht so offen ausgesprochen, welche wirtschaftlichen und politischen Ziele er offenbar auch verfolgt: Mit militärischer Stärke will Brasilien seinen Status als Regionalmacht und Anwärter auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat untermauern.

Es verwundert nicht, dass Brasilien 2008 auf dem Kontinent mit insgesamt 24,6 Milliarden Dollar Militärausgaben an der Spitze lag und damit etwa 1,6 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Waffen ausgab. In Venezuela betrug der entsprechende Anteil 1,1 Prozent, in Kolumbien 5,7 Prozent. Bei den Militärausgaben pro Person ist Chile mit 212 Dollar Spitzenreiter. Seit der Pinochet-Diktatur (1973-90) werden der Armee automatisch zehn Prozent der Einnahmen aus dem Kupfer-Export zugeschanzt.

Kluft zwischen Arm und Reich
Trotz des Anstiegs der Militärausgaben in Südamerika sieht der britische Militärexperte Robert Munks jedoch kein problematisches Wettrüsten. Selbst Chavéz' Säbelrassen ist seiner Meinung nach leicht zu unterbinden: Wenn die USA "Brasiliens Anspruch auf die regionale Führungsrolle akzeptieren, wird viel von Chávez' Donnern verschwinden".

Friedfertiges ist von den Präsidenten bisher kaum zu hören. Eine Ausnahme ist der Präsident des kleinen Staates Uruguay. Der Sozialdemokrat Tabaré Vázquez verweist darauf, dass in Lateinamerika die Kluft zwischen Arm und Reich immer noch tiefer ist als anderswo auf der Welt: "Die Aufrüstung ist unangebracht, wir lehnen sie ab."