Leiter von Caritas international reist in die Ukraine

"Hilfe ist ein schwieriges Geschäft"

Seit mehr als vier Monaten herrscht Krieg in der Ukraine. Dort leisten Mitarbeitende der Caritas Überlebenshilfe und stehen den traumatisierten Menschen zur Seite. Auch der Leiter von Caritas International reist nun in die Ukraine.

Lokale Beamte stehen vor einem beschädigten Wohnhaus in Serhijiwka, etwa 50 Kilometer südwestlich von Odessa / ©  Maxim Penko/AP (dpa)
Lokale Beamte stehen vor einem beschädigten Wohnhaus in Serhijiwka, etwa 50 Kilometer südwestlich von Odessa / © Maxim Penko/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: An diesem Sonntag geht es los mit der Reise in die Ukraine. Zunächst geht es aber nach Warschau. Warum das denn?

Oliver Müller, Leiter von Caritas international / © Patrick Seeger (dpa)
Oliver Müller, Leiter von Caritas international / © Patrick Seeger ( dpa )

Oliver Müller (Leiter von Caritas International): Zum einen muss man natürlich über irgendein anderes Land in die Ukraine einreisen, aber Warschau ist jetzt auch nicht zufällig gewählt, weil wir in engem Kontakt mit der Caritas Polen stehen. Nach Polen sind ja schließlich die meisten der ukrainischen Flüchtlinge gekommen. Wir unterstützen die Caritas dort auch in ihren Hilfsbemühungen. Und so werden wir die Gelegenheit noch zu einem kurzen Gespräch nutzen, bevor es dann am Montagmorgen in die Ukraine reingeht.

DOMRADIO.DE: Sie planen auf Ihrer Reise den Besuch zahlreicher Hilfsprojekte. Ohne jetzt schon da zu sein, Sie haben ja sicher Kontakt mit den Leuten vor Ort: Was hören Sie bisher von der Situation?

Müller: Die Situation ist schwierig, weil der Krieg jetzt schon so lange dauert und natürlich auch den Helferinnen und Helfern viel abverlangt. Es gibt, Gott sei Dank, viel Unterstützung aus dem Ausland. Auch wir hier in Deutschland durften uns glücklich schätzen, dass so viele Spenderinnen und Spender auch reagiert haben, aber das muss vor Ort jetzt umgesetzt werden. Das erfordert Kraft.

Auch dort wurden viele Helfer in die Flucht geschlagen. Zwei Mitarbeiterinnen in Mariupol wurden sogar getötet. Hilfe ist ein schwieriges Geschäft. So geht es jetzt eigentlich darum, die Helfenden zu stärken und sie weiter zu unterstützen. Die Hilfe muss immer wieder neu organisiert werden.

DOMRADIO.DE: Ein großes Problem ist ja auch die Versorgung vor Ort. Es fehlt an Lebensmitteln und Wasser. Sie haben schon gesagt, es gibt viele Hilfsgüter. Aber wie koordiniert Caritas International das vor Ort?

Müller: Wie in jeder großen Krise dieser Art ist die Koordinierung eine extreme Herausforderung, weil es sind ja nicht nur unzählige Initiativen und Organisationen aus Deutschland, die jetzt in der Ukraine helfen, sondern was ja letztlich auch gut ist, auch aus anderen europäischen Ländern oder sogar aus Übersee. Die Caritas hat einen Koordinationsmechanismus, der für die 160 Länder, in denen es Caritas gibt, gilt. Somit machen wir das gemeinsam und stimmen uns ab. Im Übrigen auch mit anderen katholischen Organisationen, ich reise ja zusammen mit dem Hauptgeschäftsführer von Renovabis, Thomas Schwartz, in das Land. Wir arbeiten auch eng zusammen. Und das ist auch ein Zeichen, dass wir hier gemeinsam vorgehen, agieren und Hilfe aus einer Hand anbieten wollen.

DOMRADIO.DE: Neben den Hilfsgütern steht die Caritas auch traumatisierten Menschen psychologisch zur Seite. Stoßen Sie bei der hohen Anzahl an Menschen, die Hilfe brauchen, da langsam an ihre Grenzen oder geht das noch?

Müller: Das ist ein großes Thema. Bereits wenige Tage nach Ausbruch des Krieges ist schon klar geworden, wie hoch das Verlangen nach psychologischer Unterstützung und auch nach seelsorgerlicher Unterstützung ist. Wir versuchen das auf verschiedenen Wegen zu erfüllen. Renovabis unterstützt viel im seelsorgerlichen Bereich die kirchlichen Strukturen.

Wir von der Caritas haben unsere dortigen Partner sehr stark unterstützt, Telefonhotlines zum Beispiel aufzubauen, dass man auch den Menschen nahe sein kann, die jetzt nicht in irgendeine Beratungsstelle oder in eine entsprechende Caritas-Stelle kommen können. Ich kann nicht sagen, ob wir den Bedarf da abdecken können. Ich glaube es nicht. Aber wir können zumindest einen Beitrag leisten, dass Menschen, die diese Spannung, diesen Druck kaum mehr aushalten können, die auch um Menschen fürchten, die ihnen nahestehen oder die sogar den Verlust von Familienangehörigen erleiden mussten, dass wir denen beistehen können, irgendwie mit dieser schwierigen Situation umzugehen.

Das Interview führte Michelle Olion.

Caritas international

Caritas International arbeitet eng mit den weltweit 165 nationalen Caritas-Organisationen zusammen. Von seinem Hauptsitz in Freiburg aus unterstützt das katholische Hilfswerk jährlich etwa 1.000 Hilfsprojekte in aller Welt. In den Projekten gewährleisten die Kompetenz und das Engagement der einheimischen Caritas-Mitarbeiter den dauerhaften Erfolg vor Ort.

Die Caritas gibt es in über 160 Ländern / © Karolis Kavolelis (shutterstock)
Die Caritas gibt es in über 160 Ländern / © Karolis Kavolelis ( shutterstock )
Quelle:
DR