Lateinamerikanischer Kardinal Salazar zu Trump und Solidarität

"Wir müssen das Recht auf Migration schützen"

Der Auftakt der Trump-Präsidentschaft habe Kolumbien geschockt, sagt der Präsident des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM, Kardinal Ruben Salazar Gomez. Im Interview spricht er über Mauern, Chancen und den weltweiten Trend zur Abgrenzung.

Graffiti-Karikatur von Donald Trump / © Sonia Aguilar (dpa)
Graffiti-Karikatur von Donald Trump / © Sonia Aguilar ( dpa )

KNA: Eminenz, welche Nachrichten bringen Sie aus Kolumbien mit?

Rubén Dario Kardinal Salazar Gómez (Erzbischof von Bogotá und Präsident des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM): Der Friedensprozess mit den FARC-Rebellen ist auf dem Weg. Etwa 7.000 ehemalige Kämpfer haben die Waffen niedergelegt und sind in speziellen Lagern einquartiert. Jetzt beginnt der Prozess der gesellschaftlichen Wiedereingliederung.

KNA: Zuletzt hieß es, es fehle an Infrastruktur in diesen Lagern. Es gebe gar nicht genügend Unterkünfte.

Salazar Gómez: Das ist richtig. Es gab da einige logistische Probleme, denn die Camps liegen in sehr entlegenen Regionen. Aber wir gehen davon aus, dass jetzt alle Guerilleros dort sind. Es gab natürlich auch Desertionen, wohl etwa um die 500 Kämpfer, die sich einem Friedensprozess widersetzen.

KNA: Und was wird aus denen?

Salazar Gómez: Nun, einige schließen sich anderen illegal bewaffneten Gruppen an - oder dem illegalen Bergbau. Oder natürlich dem Drogenhandel. Für die Regierung sind sie damit Verbrecher, die verfolgt werden wie andere Verbrecher.

KNA: Wie steht es mittlerweile um die Gegner des Friedensprozesses - also jene, die meinen, die FARC komme zu billig davon?

Salazar Gómez: Wortführer der Gegner ist ja der frühere Staatspräsident Alvaro Uribe, der sagt: Man hat das Land der FARC übergeben. Das halte ich für übertrieben. Dieser Friedensprozess wurde sehr ernsthaft geführt und international begleitet - und er hat zu seriösen Ergebnissen geführt. Und ich nehme auch wahr, dass der Widerstand in Teilen der Bevölkerung inzwischen zurückgegangen ist.

KNA: Also von Ihnen Daumen hoch?

Salazar Gómez: Dieser Prozess hat vor allem das Wohl und das Fortkommen des Landes im Blick. Das war das Ziel. Kein komplexer Vorgang von dieser Dimension kann perfekt und ohne Makel sein. Entscheidend aber ist die Phase, in der wir uns derzeit befinden: die des "Post-Konflikts". Nun müssen sich die früheren Waffenträger der FARC in die Gesellschaft integrieren. Und wir müssen einige wichtige Sozialreformen auf den Weg bringen, die einen dauerhaften Frieden ermöglichen. Frieden kann man nicht einfach machen - man muss ihn nach und nach bauen, errichten. Und das betrifft alle Kolumbianer. Das ist ein komplizierter Prozess, der eine Bereitschaft zum Verzeihen braucht. Dafür wiederum ist auch Bereitschaft zu Entschädigungen nötig für all das, was in über 50 Jahren zerschlagen wurde.

KNA: Derzeit beherrscht vor allem einer die Schlagzeilen: der neue US-Präsident Donald Trump. Beschreiben Sie Ihre Gefühle als Erzbischof von Bogota und als Präsident des Lateinamerikanischen Bischofsrates.

Salazar Gómez: Meine Gefühle? (lacht) Nun, die ersten Indizien sind allemal alarmierend. Ich halte es mit Papst Franziskus: Wir müssen Trump zunächst Zeit geben zu zeigen, in welche Richtung er seine Ideen umsetzen will. Wir hoffen, dass er mit der Zeit lernt und zeigt, dass er ein wichtiger Regierungschef ist und kein größenwahnsinniger Demagoge.

KNA: Mit Blick auf die Migrationsströme und Trumps Mauerkurs: Wie hoch schätzen Sie die Solidarität zwischen den Ländern Lateinamerikas ein?

Salazar Gómez: Ich hoffe auf eine große Solidarität. Wir als Kirche setzen uns für das Recht auf Freizügigkeit ein, das Recht auf Migration. Das müssen wir schützen und hochhalten.

KNA: Wobei dieses Recht ja schon untereinander umstritten ist - etwa zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik.

Salazar Gómez: Natürlich gibt es da viele Schwierigkeiten. Das Problem gibt es ja schon lange, wenn wir an die Bolivianer denken, die nach Argentinien eingewandert sind oder derzeit die Venezolaner in Kolumbien. Das alles ist nicht einfach - auch weil viele Länder Probleme haben, Gesundheitsversorgung, Wohnung und Arbeit für alle zu gewährleisten.

KNA: Noch mal nachgefragt: Rechnen Sie also wegen Trump künftig mit weniger oder mit mehr Solidarität untereinander?

Salazar Gómez: Die Antwort darauf ist nicht einfach. Aus kolumbianischer Perspektive sage ich: Wir sind perplex. Was Trump sagt und tut, ist ja keineswegs eindeutig. Mal gibt es starke Interventionen; dann rudert er wieder zurück. Wir sind immer noch ein wenig ratlos, wohin die Reise geht. Und entsprechend haben wir auch noch keine politischen Rezepte, wie wir uns gegen Trump verteidigen können.

KNA: Und die Mauer?

Salazar Gómez: Die ist absurd. Die Kirche vertritt die Botschaft von Gemeinsamkeit und Solidarität, von Brückenbau. Eine Mauer ist genau das Gegenteil. Eine Mauer ist Trennung von Menschen, Abgrenzung. Eine Bremse von Austausch, nicht nur im Bereich Migration. Es gibt derzeit weltweit eine neue Tendenz, sich auf sich selbst zurückzuziehen, abzugrenzen, Handelshindernisse aufzubauen. Schauen Sie, was in Großbritannien passiert ist, der «Brexit». Dieser Trend zu Fragmentierung und Nationalisierung, das ist eine gefährliche Entwicklung.

KNA: Die Ära der linken Regierungen in Lateinamerika scheint dem Ende zuzugehen. Wohin fährt der Zug jetzt? Wo sind neue Hoffnungsträger?

Salazar Gómez: Die Richtung ist noch nicht klar. Ja, es gibt die Verluste für die Linken; es zeichnet sich aber keine politische Alternative ab. Und die, die es gibt - die extreme Rechte - kommt unseren Völkern nicht zugute. Bei uns in Kolumbien haben wir ja keine linke Regierung gehabt. Die derzeitige von Juan Manuel Santos gilt als Mitte-Rechts. Die Alternativen stehen extrem rechts. Aber wir haben noch kein neues Panorama, wohin sich der Kontinent politisch entwickeln wird.

KNA: Das größte politische Problem zurzeit?

Salazar Gómez: Unser größtes Gespenst ist das der Korruption. Der brasilianische Odebrecht-Konzern hat quasi alle Regierungen Lateinamerikas gekauft. Das hat die politischen Führer das - teilweise eh nur geringe - Vertrauen der Bevölkerung in die politische Klasse gekostet. Davor stehen wir derzeit noch ratlos.

Das Gespräch führte Alexander Brüggemann.


Rubén Dario Kardinal Salazar Gómez / ©  Harald Oppitz (KNA)
Rubén Dario Kardinal Salazar Gómez / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA