In Lateinamerika macht sich Ernüchterung über US-Präsident Barack Obama breit

Ende der Flitterwochen

Die Erwartungen in Lateinamerika waren groß, als US-Präsident Barack Obama im Januar sein Amt antrat. Eine "neue Ära" in den Beziehungen mit den südlichen Nachbarn kündigte er an. Der Dialog sollte künftig "auf Augenhöhe" geführt werden. Das waren ungewohnte Töne aus Washington.

Autor/in:
Matthias Knecht und Gerhard Dilger
 (DR)

Den Kubanern versprach Obama einen "Neuanfang" und lockerte das seit 1962 bestehende Wirtschaftsembargo. Gegenüber Mexiko räumten die USA erstmals die Mitverantwortung für den blutigen Krieg gegen die Drogenmafia ein. Ganz offenkundig wurde das neue Klima beim Amerikagipfel im April, als Obama und Venezuelas Präsident Hugo Chávez einander die Hand reichten. "Ich möchte Ihr Freund sein", beteuerte der Sozialist aus Caracas. Selbst Kubas greiser Revolutionsführer Fidel Castro äußerte sich wohlwollend über Obama.

Doch die Bewährungsprobe für die USA kam unerwartet schnell. Ende Juni stürzte die Armee in Honduras den gewählten Präsidenten Manuel Zelaya, einen Bündnispartner von Chávez, und flog ihn mit vorgehaltener Waffe ins Exil. Obama verurteilte zwar den "fürchterlichen Präzedenzfall", doch für die Wiedereinsetzung Zelayas tat er wenig.

Wohl deswegen regiert der Viehzüchter Roberto Micheletti bis heute in Honduras. Ende November ließ er Wahlen abhalten, deren Gewinner Porfirio Lobo ihm Ende Januar nachfolgen soll. Der gewählte Präsident Zelaya harrt indes seit seiner heimlichen Rückkehr im September ohnmächtig in der brasilianischen Botschaft in der Hauptstadt Tegucigalpa aus, umstellt von der honduranischen Armee.

"Sprunghafte Politik"
Schuld an dem Fiasko seien vor allem die USA, lautet selbst das Urteil der Obama-nahen Denkfabrik "Brookings Institution" in Washington. Deren Lateinamerika-Analyst Kevin Casas wirft den USA eine "sprunghafte Politik" vor. "Die US-Diplomatie wechselte von Empörung über den Staatsstreich zu Gleichgültigkeit, dann Konfusion und schließlich Nachgiebigkeit, und das alles in weniger als fünf Monaten", resümiert Casas im Gespräch mit dem epd.

Im November scherten die USA als erste aus der internationalen Allianz aus und stellten den Putschisten eine Anerkennung des Wahlergebnisses in Aussicht, ohne Gegenleistungen zu fordern. Obamas Glaubwürdigkeit in Lateinamerika sei "ernsthaft geschwächt" worden, meint Casas.

Die Reaktionen bestätigen dies. Frustriert über die US-Politik sei die brasilianische Regierung, sagte Marco Aurélio Garcia, die rechte Hand von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva in der Lateinamerikapolitik. Dass man einen Staatsstreich durch eine Wahl reinwaschen wolle, sei "bedauerlich" - neben den USA haben den Urnengang nur Costa Rica, Panama, Kolumbien und Peru anerkannt.

Auch bei den Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation oder auf dem Klimagipfel in Kopenhagen zeige sich Washington unnachgiebig, sagte Garcia. Dennoch hoffe Brasilien immer noch auf ein Umdenken, wobei dies nicht zu spät kommen dürfe.

Militärabkommen mit Kolumbien
Mit einem Militärabkommen mit Kolumbiens rechter Regierung brachte Washington mehr oder weniger ganz Südamerika gegen sich auf. Die US-Militärs erhalten damit freien Zugang zu sieben kolumbianischen Stützpunkten sowie zu zivilen Flughäfen und dem gesamten Funkverkehr. Sie rechtfertigen dies mit dem Kampf gegen den Terrorismus und den Drogenhandel. Ecuador hatte im September einen Nutzungsvertrag für eine Militärbasis nach zehn Jahren aufgekündigt.

Von Caracas bis Buenos Aires unterstellt man den USA strategische Interessen vor allem wegen des Ressourcenreichtums des Subkontinents. Selbst den altgedienten Vorwurf, die USA behandelten Lateinamerika wie ihren Hinterhof, musste sich Obama jüngst gefallen lassen. "Sie dachten, Obama sei anders", fasst Julia Sweig vom außenpolitischen Forschungszentrum "Rat für auswärtige Beziehungen" in Washington die Haltung der Lateinamerikaner zusammen. "Aber diese Hoffnungen zerschlugen sich während des Sommers."