Vor 50 Jahren starb der Architekt und Designer Egon Eiermann

"Langer Eugen" und Berliner Gedächtniskirche als Vermächtnis

Der "Lange Eugen" in Bonn ist sein vielleicht bekanntestes Werk. Neben dem Abgeordnetenhaus des Bundestags hat Egon Eiermann auch Kirchen gebaut, darunter den Neubau der Berliner Kaiser-Wilhelm Gedächtniskirche.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Der "Hohle Zahn" in Berlin / © nomadkate (shutterstock)
Der "Hohle Zahn" in Berlin / © nomadkate ( shutterstock )

In der Nazi-Zeit schuf er vor allem Industriearchitektur. Nach dem Krieg konnte er trotz seiner Beteiligung an der Berliner Hitler-Propagandaausstellung «Gebt mir vier Jahre» (1937) neu durchstarten und belebte den deutschen Funktionalismus von Werkbund und Bauhaus neu. Egon Eiermann wurde einer der maßgeblichen Architekten und Designer der Nachkriegsmoderne der 1950er und 60er Jahre. Vor 50 Jahren, am 19. Juli 1970, ist er 65-jährig gestorben.

Eiermann war auch ein Kirchenbaumeister

Auch als Kirchenbaumeister hat sich Eiermann hervorgetan; zunächst mit der eigenwilligen, aber wegweisenden evangelischen Matthäuskirche in Pforzheim (1951/53). Dort verwandte er erstmals Formsteine aus Sichtbeton mit Farbglasfüllungen. Ein zentrales Element der Raumwirkung ist die Farbgebung der Glasfüllungen, die ein changierendes, quasi gotisches Licht in das ansonsten karg gestaltete Innere einfallen lassen.

Eiermanns grau-rötliche Wabensteine selbst hatten dagegen bewusst keine einheitliche Farbe, da er dem Beton einen Prozentsatz an Bauschutt zufüllen ließ: ein Symbol für das Fortbestehen des Alten im Neuen nach den Zerstörungen des Krieges. Allerdings macht das wenig wertige Material Denkmalschützern bis heute Kummer.

Ein zweites Mal verband Eiermann im Kirchenbau Altes und Neues - diesmal allerdings unfreiwillig. In seinen Entwurf für den Neubau der kriegszerstörten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin musste er nach Bürgerprotesten den neoromanischen Turmstumpf als Mahnmal gegen den Krieg integrieren.

Der "Hohle Zahn"

So entstand 1959 bis 1963 ein fünfteiliges Ensemble aus 71 Meter hoher Turmruine, neuem sechseckigem Glockenturm, achteckigem Kirchenschiff, Kapelle und Foyer. Im Volksmund wird die Gedächtniskirche wegen der Turmruine auch "Hohler Zahn" genannt. Bis heute gehört sie zu den Wahrzeichen Westberlins und der Nachkriegszeit insgesamt.

Der Designer Eiermann, der als Professor an der Technischen Hochschule Karlsruhe lehrte, entwarf auch alle wesentlichen Elemente und liturgische Ausstattung im Inneren. Beim Altarkreuz allerdings wurde er von Landesbischof Otto Dibelius überstimmt. Statt seines geplanten schlichten Kreuzes orderte der Bischof einen rund 300 Kilo schweren und 4,60 Meter großen Auferstehungs-Christus. Charakteristisch ist wie in Pforzheim das farbige Licht, hier in kräftigem Blau, das durch mehr als 20.000 Bruchglasfenster einfällt.

Eiermann entwirft auch den "Langen Eugen"

Neben der emblematischen Gedächtniskirche und einigen Industrie- und Firmengebäuden ist ein weiteres Baudenkmal der bundesrepublikanischen Geschichte untrennbar mit dem 1904 in Neuendorf bei Potsdam geborenen Eiermann verbunden: das ehemalige Abgeordnetenhaus des Deutschen Bundestags in Bonn, besser bekannt als "Langer Eugen".

Seinen Spitznamen verdankt der 115 Meter hohe Hochhausturm neben dem einstigen Plenarsaal dem eher kleingewachsenen damaligen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier. Der CDU-Politiker hatte sich besonders dafür eingesetzt, dass alle Parlamentarier mit dem 1966 bis 1969 entstandenen Neubau ein eigenes Büro erhalten. Zuvor hatte die Vorgabe von Bonn als Regierungsprovisorium lange Zeit zusätzliche Parlaments- und Verwaltungsbauten verhindert.

"Langer Eugen" höchster reiner Stahlträgerbau

Eiermann konzipierte den schachtelartigen Turm, der bis heute der höchste reine Stahlträgerbau in Deutschland ist, mit seiner stark gerasterten Fassade ohne hervorstechende Merkmale als eine Verkörperung der Demokratie. Gleichwohl rief und ruft das 30-geschossige Hochhaus, das seit 2006 als Standort der Vereinten Nationen genutzt wird, in städtebaulicher Hinsicht Kritik hervor.

Inzwischen flankiert vom Posttower, dem WCCB-Konferenzhotel und dem monströsen Stadthaus, war der "Lange Eugen" zu seiner Zeit noch ein Solitär im Bonner Rheinbogen, der weder in die Landschaft noch so recht zum Selbstverständnis der bescheidenen "Bonner Republik" passen wollte.

Eiermann war auch Designer

Ebenso wegweisend wie sein architektonisches Schaffen war Eiermanns Wirkung als Designer, vor allem von Möbeln. Viele seiner nüchternen Entwürfe wurden zu Klassikern, so die Tischgestelle Eiermann 1 und 2, der Stahlrohrstuhl SE 68, der Korbsessel E 10, der Holzklappstuhl SE 18 oder der Kirchenstuhl SE 121. Letzterer ist bis heute in der Berliner Gedächtniskirche zu sehen.


Der "Lange Eugen" vom Architekten Egon Eiermann / © Julia Steinbrecht (KNA)
Der "Lange Eugen" vom Architekten Egon Eiermann / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA
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