Landesregierung gibt vorsichtiges Signal an "Stuttgart 21"-Gegner

Aber die restlichen Bäume bleiben

Wiederholt haben Kirchenvertreter bereits zu einer friedlichen Lösung des „Stuttgart 21“-Streits aufgerufen. Für Christian Führer nicht genug Engagement: Der frühere Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche wünscht sich noch mehr Beteiligung. Derweil bemüht sich die baden-württembergische Landesregierung um Entspannung.

 (DR)

Die erbitterten Proteste gegen das milliardenschwere Bahnprojekt "Stuttgart 21" zeigen Wirkung: Die Landesregierung hat einen Abrissstopp angeordnet und versprochen, dass im Schlossgarten keine weiteren Bäume mehr gefällt werden. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) erneuerte am Dienstag zudem sein Gesprächsangebot an die Gegner. Zugleich präsentierte die Landesregierung ein Rechtsgutachten, wonach eine Volksabstimmung unzulässig wäre. Die Stuttgarter Polizei versprach eine lückenlose Aufklärung des gewalttätigen Einsatzes vom Donnerstag.



Mappus sagte, der Südflügel des Hauptbahnhofs werde vorerst nicht abgerissen. Seine Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) versicherte zudem, dass vorerst keine Bäume mehr im Schlossgarten gefällt werden. Dies gelte jedoch nicht für die 80 Bäume rund um den Nordflügel: Sie sollen wie geplant bis Februar fallen.



Einen kompletten Baustopp, wie ihn die "Stuttgart 21"-Gegner fordern, lehnten Gönner und Mappus erneut ab. "Wir sind zum Dialog bereit, aber es ist für uns äußerst schwierig, dort einen Baustopp anzubieten", sagte Gönner am Montagabend.



Grünen-Bundesvorsitzender Cem Özdemir begrüßte den Abrissstopp als Zeichen, dass beide Seiten ins Gespräch kommen könnten. Die Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast, sagte, Grundlage für ein echtes Gesprächsangebot sei, dass die Arbeiten an dem Projekt tatsächlich und auch rechtlich unterbrochen würden.



Gutachter halten Volksabstimmung über "Stuttgart 21" für unzulässig

Das Gutachten im Auftrag der Landesregierung stuft eine Volksabstimmung, wie ihn die SPD fordert, als unzulässig ein. Das Gutachten des Verfassungsrechtlers Paul Kirchhof führt unter anderem aus, dass dem Land nicht die Kompetenz beim Bau von Schienen und Bahnhöfen obliege. Diese liege einzig und allein beim Bund. "Wenn das Landesvolk etwas dazu sagen würde, wäre das null und nichtig, weil keine Kompetenz besteht", erläuterte Kirchhof. Zudem schließe die baden-württembergische Landesverfassung eine Abstimmung über das Haushaltsgesetz aus.



Die SPD wehrte sich gegen die Einschätzung und verwies auf ein Gegengutachten. Fraktionschef Claus Schmiedel unterstellte der Landesregierung, Angst vor einer Entscheidung des Volkes zu haben.



Polizei verspricht lückenlose Aufklärung des Einsatzes im Schlossgarten

Die Stuttgarter Polizei versprach indes eine lückenlose Aufklärung des Einsatzes vom Donnerstag. Bei der Räumung des Schlossgartens waren über hundert Menschen verletzt worden, als die Polizei mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken gegen die Demonstranten vorgegangen war.



Polizeipräsident Siegfried Stumpf führte die Eskalation auf Fehler zurück. So habe ein Einsatzfahrzeugfahrer abgedreht, als sich Demonstranten näherten. Dadurch sei die Einfahrt der Fahrzeuge ins Stocken geraten. "Hätte man da schneller reagiert, wären wir möglicherweise reingekommen", sagte Stumpf. Auch das massive Auftreten der Demonstranten habe die Polizei überrascht. "Ich hätte nie gedacht, dass uns so starker und entschiedener Widerstand entgegenschlägt."



Mappus zeigte sich tief betroffen über die Eskalation. Am Mittwoch (6. Oktober) will er im Landtag Vorschläge machen, um solche Ereignisse künftig zu verhindern. Mappus, der im August vergeblich einen runden Tisch mit dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden Winfried Kretschmann angeregt hatte, sagte: "Es kann doch nicht Normalzustand sein, dass Sie in Deutschland die Polizei brauchen, um eine Baustelle abzusichern."



Die Linksfraktion im Bundestag kritisierte Aussagen der Polizei, wonach die Gewalt von den Demonstranten ausgegangen sei. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ulrich Maurer sagte: "Ich bin mir sicher, dass die Einsatzkräfte, die dort vom Innenminister in den Kampf geschickt wurden, auch Mahatma Ghandi verprügelt hätten."