Landauer sollen über Umbenennung von Straßennamen entscheiden

Verliert Hans Stempel seine Straße?

Der frühere pfälzische Kirchenpräsident Hans Stempel ist umstritten, weil er sich nach 1945 für NS-Täter einsetzte. Nun soll bei einem Bürgerentscheid darüber abgestimmt werden, ob eine ihm gewidmete Straße umbenannt werden soll.

Autor/in:
Alexander Lang
Der frühere pfälzische Kirchenpräsident Hans Stempel ist umstritten, weil er sich nach 1945 für NS-Täter einsetzte. Nun soll bei einem Bürgerentscheid in Landau darüber abgestimmt werden, ob eine ihm gewidmete Straße umbenannt werden soll. / © Paul van Schie (epd)
Der frühere pfälzische Kirchenpräsident Hans Stempel ist umstritten, weil er sich nach 1945 für NS-Täter einsetzte. Nun soll bei einem Bürgerentscheid in Landau darüber abgestimmt werden, ob eine ihm gewidmete Straße umbenannt werden soll. / © Paul van Schie ( epd )

Er besuchte nach 1945 NS-Straftäter in ihren Haftzellen in Frankreich, Belgien, Italien und Luxemburg und setzte sich dafür ein, dass sie in Nachkriegsdeutschland wieder Fuß fassen konnten. Für dieses Engagement steht Hans Stempel (1894-1970), der frühere Präsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, seit Jahren in der Kritik. Jetzt soll die Bürgerschaft der Stadt Landau nach dem Willen der Stadtverwaltung bei einem Bürgerentscheid am 23. Februar zeitgleich zur Bundestagswahl darüber entscheiden, ob die dortige Hans-Stempel-Straße umbenannt werden soll.

Der Landauer Stadtrat empfiehlt nicht nur, den Namen der nach Stempel benannten Straße zu ändern. Auch eine Straße, die nach Paul von Hindenburg (1847-1934), dem früheren Reichspräsidenten und deutschen Oberbefehlshaber im Ersten Weltkrieg, benannt wurde, soll einen neuen Namen erhalten. Ebenso geht es um eine Straße, die nach dem nationalsozialistischen Arzt und Paläontologen Ludwig Kohl-Larsen (1884-1969) benannt wurde.

Ist der Name verzichtbar?

Die Evangelische Kirche der Pfalz hält sich offiziell zurück bei der Frage, ob die Hans-Stempel-Straße bleiben soll. "Der Landeskirchenrat hat jedoch immer die Position vertreten, dass eine Entscheidung über die Umbenennung einer Straße alleine Sache der Stadt beziehungsweise der Bürgerinnen und Bürger ist", sagte Oberkirchenrat Claus Müller. Auch Eberhard Dittus, der landeskirchliche Beauftragte für Gedenkstättenarbeit, betont, es sei Sache der Landauerinnen und Landauer, "ob der Straßenname bleibt oder ob auf ihn verzichtet werden kann".

Die Evangelische Kirche der Pfalz will den Einsatz ihres früheren Präsidenten Hans Stempel für verurteilte NS-Kriegsverbrecher nach 1945 wissenschaftlich aufarbeiten lassen. (epd)
Die Evangelische Kirche der Pfalz will den Einsatz ihres früheren Präsidenten Hans Stempel für verurteilte NS-Kriegsverbrecher nach 1945 wissenschaftlich aufarbeiten lassen. / ( epd )

Der in Steinwenden im Landkreis Kaiserslautern geborene Stempel hatte sich nach dem Krieg für den Verein "Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte" engagiert und gehörte dessen Präsidium an. Er war zudem inoffizieller "Beauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für die Seelsorge an deutschen Kriegsverurteilten in ausländischem Gewahrsam". Aufgrund seiner Initiative kamen zahlreiche Kriegsgefangene und verurteilte NS-Täter aus der Gefangenschaft frei.

Fehlender Blick nicht nachvollziehbar

In ihrer Erinnerungskultur stehe die Pfälzer Kirche für einen differenzierten Umgang mit dem Tun und Handeln von Menschen, sagte Oberkirchenrat Müller. "Sie kann viele Verdienste von Stempel würdigen, sieht aber seinen Einsatz für NS-Täter durchaus kritisch." Dessen anscheinend fehlender professioneller Abstand in der Seelsorge und vor allem der fehlende Blick für die Opfer der NS-Täter seien nicht nachvollziehbar.

Der Historiker Nicholas Williams bezeichnete Stempels Rolle als Seelsorger für NS-Täter und seine mangelnde Reue als fragwürdig. Im Auftrag der Landeskirche hatte der Leiter des Zentrums für ostbelgische Geschichte im belgischen Eupen das Wirken Stempels in einem Forschungsprojekt untersucht.

Historisch kaum informiert

Der evangelische Theologe sei jedoch "kein Nazi" gewesen, urteilt Williams, der eine Straßenumbenennung kritisch sieht. "Ihn als Verbrecher zu bezeichnen, geht zu weit." Vielmehr solle man sich differenziert mit Stempel auseinandersetzen. Dies sei in der parteipolitisch aufgeheizten Debatte im Landauer Stadtrat nicht geschehen. Unglücklich sei es, der historisch kaum informierten Bürgerschaft nun ein "Ja" oder "Nein" zur Straßenumbenennung abzunötigen, meint Williams.

Auch Christoph Picker, Direktor der Evangelischen Akademie der Pfalz, spricht sich gegen eine Straßen-Umbenennung aus und plädiert für einen differenzierten, fairen Umgang mit dem früheren Kirchenpräsidenten. "Bei Hindenburg würde ich Ja sagen, bei Stempel sieht es anders aus." Auch Stempels Porträt im Speyerer Landeskirchenrat könne hängenbleiben - obwohl fraglich sei, ob die dortige "Ahnengalerie" der Kirchenpräsidenten "noch zeitgemäß ist", so Picker. Die Akademie in Speyer hatte für Williams' Forschungsprojekt zu Stempel die Federführung inne.

Quelle:
epd