Länder reagieren aufs Karlsruher Urteil zum Sonntagsschutz im Advent

Nur noch zwei von vier

Ein Umsatzplus von 2,5 Prozent auf 77 Milliarden Euro erwartet der Einzelhandel für November und Dezember. Kein Wunder, dass die Vorweihnachtszeit für den Handel die wichtigste Zeit des Jahres ist. Allerdings in diesem Jahr unter veränderten Bedingungen: Viele Geschäfte werden an den Adventssonntagen seltener öffnen als zuvor. Doch Sonntagsschützer wie die Kirchen warnen weiterhin.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Denn erstmals wirkt sich das vor einem Jahr gefällte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Sonntagsschutz aus. Am 1. Dezember 2009 hatten die Richter nach einer Klage der Kirchen entschieden, dass die Berliner Regelung, nach der an bis zu zehn Sonntagen im Jahr die Geschäfte geöffnet haben dürfen, teilweise verfassungswidrig sei. Insbesondere widersprächen die vier verkaufsoffenen Adventssonntage dem Grundgesetz.



Mehr Zeit für Besinnlichkeit und Familie forderten die Richter: Darauf hat der Berliner Senat reagiert. In diesem Advent dürfen Geschäfte in der Hauptstadt nur noch an zwei nicht aufeinander folgenden statt an vier Sonntagen verkaufen. Auch das benachbarte Brandenburg peilt eine ähnliche Regelung an, die allerdings erst kommendes Jahr in Kraft tritt. Das zuständige Sozialministerium hat die Kommunen allerdings darauf hingewiesen, dass die Vorgaben aus Karlsruhe auch schon 2010 gelten, obwohl theoretisch weiter die alte Regelung in Kraft ist, nach der Händler an sechs Sonntagen im Jahr, also auch an allen vier Adventssonntagen ihre Tore öffnen dürfen. In der Landeshauptstadt Potsdam hat man sich für dieses Jahr auf einen Kompromiss verständigt: Die Jagd nach Geschenken ist noch an drei von vier Adventssonntagen möglich.



Auch Sachsen und Sachsen-Anhalt reagieren

In Sachsen hatte die Ladenöffnung im Advent zuletzt noch gerichtliche Auseinandersetzungen ausgelöst. Einerseits hat der Landtag in Dresden im November ein neues Ladenschlussgesetz verabschiedet, weil das geltende Gesetz in diesem Jahr ausläuft. Die Neuregelung sieht insgesamt eine Ausweitung möglicher Sonntagsöffnungen von bislang vier auf fünf Sonntage im Jahr vor; davon dürfen aber höchstens zwei Adventssonntage sein. Zugleich hat das auslaufende Ladenschlussgesetz noch einmal die Gerichte beschäftigt: So entschied das Oberverwaltungsgericht Bautzen, dass es in der Stadt Dresden in diesem Jahr keine verkaufsoffenen Adventssonntage geben wird. Aus formalen Gründen.



Auch Sachsen-Anhalt hat auf das Karlsruher Urteil reagiert: Die Behörden haben die Städte und Gemeinden frühzeitig informiert, dass die vier möglichen verkaufsoffenen Sonntage nicht alle in den Advent gelegt werden dürfen. In den übrigen Bundesländern ist beim Adventsverkauf zunächst alles beim Alten geblieben. In Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen und Niedersachsen bleiben die Läden an allen Adventssonntagen geschlossen. In Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein müssen die Verbraucher zumindest an den Adventssonntagen im Dezember auf Sonntagseinkäufe verzichten. In NRW darf an einem Adventssonntag geöffnet werden.



Sonntagsschützer warnen weiterhin

Ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen, den auch die Vertreter des Einzelhandels beklagen. Zugleich kritisiert der Handelsverband HDE eine restriktive Haltung vieler Bundesländer: "Bundesländer, die päpstlicher als der Papst die Ladenöffnung stärker beschränken, als das oberste Gericht es für notwendig hält, beschreiten den falschen Weg", sagt HDE-Präsident Josef Sanktjohanser.



Anders sieht das die "Allianz für den freien Sonntag". Das bundesweite Bündnis aus Gewerkschaften und Kirchen befürchtet, dass zahlreiche Bundesländer den Sonntagsschutz im Rahmen der Entscheidung aus Karlsruhe weiter aufweichen wollen. Die Feiertags- und Sonntagskultur werde "aufs Spiel gesetzt", da arbeitsfreie Zeit zunehmend als ungenutzte Ressource und verschenkter Wettbewerbsvorteil gesehen werde, heißt es im Aufruf des gerade gegründeten hessischen Bündnisses.