Kurienkardinal Castrillon Hoyos geht in Rente

Konservativer mit Hang zum Risiko

Sein Name könnte in die Kirchengeschichtsbücher eingehen: Mindestens in einer Fußnote wird Kurienkardinal Dario Castrillon Hoyos Erwähnung finden, wenn dort einst der vatikanische Versuch behandelt wird, die Kirchenspaltung zu überwinden, die Erzbischof Marcel Lefebvre 1988 durch unerlaubte Bischofsweihen verursachte.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Kurienkardinal Dario Castrillon Hoyos: Über Monate der meistgehasste Mann in der römischen Kurie (KNA)
Kurienkardinal Dario Castrillon Hoyos: Über Monate der meistgehasste Mann in der römischen Kurie / ( KNA )

Erfolgreicher als jeder andere hat es Castrillon verstanden, die Anhänger Lefebvres in Gespräche auf höchster Ebene einzubinden und ihnen so weit entgegenzukommen, dass sie römische Verhandlungsangebote schlechterdings nicht mehr ablehnen konnten. Die weltweite Wiederzulassung des alten Messritus im Juli 2007 und die Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Piusbruderschaft im Januar 2009 wären ohne seine Vermittlung wohl kaum zustande gekommen.

Für diese Ergebnisse zahlte der Kolumbianer mit der näselnd-heiseren Stimme und der markanten Nase freilich einen hohen Preis. Über Monate wurde er für viele Journalisten und auch Bischöfe zum meistgehassten Mann in der römischen Kurie, weil er die Begnadigung der vier Bischöfe im Geheimen betrieb und dabei die Antisemitismus-Vorwürfe gegen einen von ihnen, Richard Williamson, schlicht übersah.

Von Reue keine Spur
Der promovierte Kirchenrechtler Castrillon zeigte indes von Reue keine Spur - wohl in der Gewissheit, dass die heiklen Verhandlungen nur per Geheimdiplomatie zum Erfolg führen konnten. Mit einer Biografie im Hintergrund, zu der Erfahrungen mit mordenden Guerillakämpfern ebenso gehören wie mit Kokainbossen und Paramilitärs, war der Kardinal auch im Umgang mit den Traditionalisten zu unkonventionellen Schritten bereit.

Wenn Papst Benedikt XVI. den wagemutigen Kolumbianer mit dem Hang zu einsamen Entschlüssen auch nach dem Williamson-Debakel im Amt ließ, deutet das darauf hin, dass er mit dem Vorgehen seines Unterhändlers zwar nicht in jedem Detail, wohl aber in der Substanz einverstanden war.

Als er nach Rom kam, brachte er frischen Wind
Seine vatikanische Laufbahn begann Castrillon 1996, als Johannes Paul II. den ausgewiesenen Konservativen aus dem Erzbistum Bucaramanga nach Rom beförderte. Außer in der kolumbianischen Kirche hatte sich Castrillon von 1983 bis 1991 in führenden Positionen im Lateinamerikanischen Bischofsrat CELAM profiliert, zunächst als Generalsekretär, später als Präsident. Er trug mit dazu bei, dass der CELAM vom linken Rand in die Mitte rückte und von revolutionären Optionen Abstand nahm.

Als er nach Rom kam, brachte er frischen Wind in die Klerus-Kongregation. Er bemühte sich aktiv um rückkehrwillige Priester, die wieder in den Klerus aufgenommen wurden, und er organisierte erfolgreich internationale Priesterkongresse. Den Höhepunkt seiner Vatikan-Karriere erreichte Castrillon, als er am 13. April 2000 in Personalunion zum Vorsitzenden der Kommission "Ecclesia Dei" ernannt wurde, die seit 1988 an der Aussöhnung mit den Traditionalisten arbeitet. Vier Monate später pilgerten Tausende Lefebvre-Anhänger im Rahmen des Heiligen Jahres nach Rom und bekundeten damit ihre Verbundenheit mit dem Papst. Damals traf Castrillon erstmals mit dem Lefebvre-Nachfolger Bernard Fellay zusammen - und bescheinigte dessen Piusbruderschaft, dass sie "nicht schismatisch" sei. Seither ging der Annäherungsprozess langsam, aber stetig voran.

Dazu gehört auch, dass Castrillon am 24. Mai 2003 in der römischen Basilika Santa Maria Maggiore eine Messe nach dem alten Ritus feierte und erklärte: "Der alte römische Ritus behält in der Kirche sein Bürgerrecht im Rahmen der Vielfalt der katholischen Riten." Und natürlich war er auch dabei, als die Führungsspitze der Traditionalisten wenige Monate nach dessen Amtsantritt Benedikt XVI. in Castelgandolfo besuchte. Damals wurde die nächste Phase der Aussöhnung eingeleitet, die 2009 zur Aufhebung der Exkommunikation führte.

Die vom Papst beabsichtigte Angliederung von "Ecclesia Dei" an die Römische Glaubenskongregation ist für den Kardinal keineswegs eine nachträgliche Missbilligung seines Werks, im Gegenteil: Er hat auf disziplinarisch-kirchenpolitischem Feld die Annäherung erreicht, die zu erreichen war. Nun wird der Prozess auf einer höheren Ebene fortgeführt. Dass es so weit kam, ist ebenso Castrillon zuzuschreiben wie die schweren Erschütterungen und Verwerfungen, die er auf dem Weg dorthin ausgelöst hat.