Bischöfe nehmen Papst in Schutz und kritisieren den Vatikan

Fragezeichen angesichts eines Scherbenhaufens

Was ist nur im Vatikan los? Eine Woge der Kritik überrollt derzeit Papst Benedikt XVI. und die Kirche. Erst die Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Piusbruderschaft und dann der Eklat um die Äußerungen des traditionalistischen Bischofs Richard Williamson zum Holocaust: Lässt sich das alles unter der Rubrik "dumm gelaufen" einordnen? Oder steckt dahinter eine kirchenpolitische Wende? Rom-Korrespondent Paul Badde verteidigt Benedikt im domradio-Interview: "Er hat keinen Krieg erklärt."

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

So fragen nicht nur das Nachrichten-Magazin "Der Spiegel" und die großen deutschen Zeitungen am Montag in Titel-Geschichten und Seite-Drei-Reportagen. Es sind nicht nur die immer gleichen ewigen Kritiker, die sich die Haare raufen und von einem Scherbenhaufen sprechen. Auch zahlreiche gestandene katholische Theologie-Professoren, darunter die Fakultäten an den Universitäten Freiburg, Tübingen und Münster, äußern Unverständnis und Entsetzen.

Sind wir noch Papst? Die Kritik am Kirchenoberhaupt aus Deutschland lässt auch die katholischen Bischöfe aus der Bundesrepublik nicht unberührt. Im Land der Reformation und des Holocaust sind sie besonders empfindlich für Störungen im Verhältnis zur Ökumene und zum Judentum. Selten gab es deshalb so deutliche bischöfliche Worte an die römische Adresse wie in diesen Tagen. Dabei sind die Akzente durchaus unterschiedlich:

Es geht zunächst um Deeskalation
Von Lehmann bis Thissen: Es geht zunächst um Deeskalation. Dabei nehmen die Bischöfe den Papst in Schutz. Er habe den Traditionalisten die Hand ausgestreckt, weil er in erster Linie der Einheit der Kirche dienen wolle, sagte Hamburgs Erzbischof Werner Thissen am Montag. Von einem "Akt väterlicher Barmherzigkeit" durch den Papst sprach der Essener Bischof Felix Genn. Und der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller meinte, der Papst habe "einer randständigen Gruppierung beide Hände gereicht". Williamson aber habe dem Papst "ins Gesicht geschlagen".

Demgegenüber bekommt insbesondere der für die Traditionalisten zuständige Kurien-Kardinal Dario Castrillon Hoyos den Unmut der deutschen Bischöfe zu hören. Dass die Exkommunikation Williamsons aufgehoben wurde, obwohl dieser das Ausmaß des Holocaust verharmloste und die Gaskammern leugnete, bezeichnete der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke als "Betriebsunfall", Thissen sprach von "Schlamperei". Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, räumte ein, es könne schwer fallen, zu glauben, dass die Zusammenhänge im Vatikan nicht bekannt gewesen seien, "aber es ist leider so".

Lehmann: Kein zutreffendes Bild gemacht
Auch Kardinal Karl Lehmann warf dem Kolumbianer Castrillon und der von ihm geleiteten Päpstlichen Kommission "Ecclesia Dei" vor, sich über Williamson kein zutreffendes Bild gemacht zu haben. Dieser habe sich ja schon öfter zu anderen Themen problematisch geäußert. Offensichtlich seien im Vatikan die politischen Zusammenhänge und Verflechtungen zu wenig beachtet worden.

Lehmann und der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst gehen in ihrer Kritik jedoch noch einen Schritt weiter. Sie setzen deutliche Fragezeichen hinter die Bemühungen des Papstes, die Piusbruderschaft wieder in die Kirche zu holen. Fürst argumentiert vor allem als Seelsorger: Die Vorgänge hätten zur äußeren und inneren Entfremdung zahlreicher Gläubiger von der Kirche geführt, sagte er. "Die Einheit nach der einen Seite darf nicht zur Entfremdung nach der anderen Seite führen."

Lehmann verwies auf gravierende dogmatische Unterschiede mit Blick auf die Anerkennung des Zweiten Vatikanischen Konzils: Er kritisierte, dass sich die Traditionalisten niemals mit der Konzils-Erklärung zur Religionsfreiheit abgefunden hätten. Sie lehnten auch die Botschaft ab, dass es in Glaubensfragen keinen Druck geben dürfe.

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