Kunst zum 75. Geburtstag von Kardinal Danneels

Lumpen für einen Schöngeist

Ein verstörendes Bild bietet derzeit die Kapelle hinter dem Hauptaltar der Brüsseler Kathedrale. Auf einer langen Tafel türmen sich wahllos Kleiderberge. Die Installation ist Teil eines besonderen Geburtstagsgeschenks für Kardinal Godfried Danneels.

Autor/in:
Klaus Nelißen
 (DR)

Ein verstörendes Bild bietet derzeit die Kapelle hinter dem Hauptaltar der Brüsseler Kathedrale. Auf einer langen Tafel türmen sich wahllos Kleiderberge. Dem Betrachter drängt sich die Frage auf, ob da nicht mal jemand aufräumen sollte. Wer dann aber erneut hinsieht, entdeckt einen Schriftzug auf dem Marmorboden. "Das Leben selbst ist nicht alles", steht da wie von Geisterhand geschrieben. Der zweite Blick macht den Unterscheid zwischen wahllosem Lumpenberg und moderner Kunst. Deren Schöpfer Fred Eerdekens ordnete die Kleider so feinsäuberlich an, dass Scheinwerferstrahlen die Schattenschrift durch sie hindurch projizieren.

Die Installation ist Teil eines besonderen Geburtstagsgeschenks: der Ausstellung "Septiformis". Der Beschenkte ist Kardinal Godfried Danneels, Hausherr der Kathedrale. Im Sommer wurde der Erzbischof von Mechelen-Brüssel 75 Jahre alt. Die belgischen Bischöfe schenkten dem beliebten Hirten dazu die ambitionierte Kunstausstellung.

Sieben belgische Gegenwartskünstler präsentieren bis zum 24.  November ihre Arbeiten. Die Werkauswahl orientiert sich am lateinischen Titel, der übersetzt "siebenförmig" heißt. Dieser ziele auf die sieben Gaben des Heiligen Geistes: Weisheit und Verstand, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit und Gottesfurcht, erklärt Ausstellungskurator Alain Arnould. Der Dominikanerpater ist der Kunstseelsorger der Kathedrale.

"Es stimmt eine tief verwurzelte Seite in mir an"
Danneels freut sich sichtlich über sein Geschenk: "Es stimmt eine tief verwurzelte Seite in mir an." Der international geschätzte Kirchenmann ist ein Schöngeist im besten Sinne. "Ein Bischof muss einen Sinn für Schönes haben", sagt er und ergänzt: "Schönheit muss dabei nicht unbedingt ästhetisch sein". Kunst greife an die Quelle des Schönen und Wahren. Wie die Wahrheit dürfe Kunst auch ruhig mal verstören. Danneels ist dabei ein besonderer Freund der modernen Kunst. "Die Gegenwartskunst erzählt etwas von der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen", sagt er. Die Kirche, als Expertin fürs Menschsein, sei dabei Partner der Kunst.

Eerdekens erleuchtete Lumpenkunst in der Magdalenenkapelle spricht mit dem kalkulierten Ärgernis des ersten Anblicks eindringlich von dieser Erlösungsbedürftigkeit. Für Kunstpater Arnould ist moderne Kunst im Kirchenraum der Beweis, dass in einer Glaubensgemeinschaft noch Leben ist. "Wenn wir unsere Augen und Ohren für die moderne Bildsprache verschließen, riskieren wir, dass wir das Vokabular verlieren, um der Welt von unserem Glauben zu erzählen", so der Dominikaner.

"Wir haben nicht die Hofkünstler des Kardinals ausgesucht"
Für die Geburtstagsausstellung hat er die Künstler so gewählt, dass auch sein kunstbeflissener Chef Neues geboten bekommt. "Wir haben nicht die Hofkünstler des Kardinals ausgesucht", lacht er. "Septiformis" wartet mit frischen Blicken ins Gotteshaus auf.

Raumprägend ist das Rundfoto des Deutsch-Belgiers Marin Kasimir. Es schwebt über dem Altar. Wie ein Heiligenschein aus Menschen dominiert das auf Acrylglas reproduzierte Panoramabild den Kirchraum. Abgebildet sind 152 Ländervertreter in typischer Tracht, von Kasimir aufgenommen während der japanischen Expo im Jahr 2005. "Sie repräsentieren die universelle Vision eines friedlichen Beieinanders der Völker", erläutert der Künstler.

Auch wenn die Scheibe rund 15 Meter über dem Boden hängt: Danneels wird Kasimirs Kunst in den kommenden Wochen besonders nah sein; nämlich immer dann, wenn er am Altar die Messe feiert. Dann wird er als Zelebrant genau unter dem Heiligenschein aus Menschen stehen. Im Übrigen ist dem Kardinal die Liturgie die liebste Kunstform. "Sie geschieht mit allen Elementen und spricht Sinne und Herz an", bekennt Danneels. Aber auch hier bevorzugt der Kunstsinnige moderne Nüchternheit vor Opulenz: "Liturgie muss rein sein und nicht barock überladen." Sie müsse den Raum bereiten für etwas Größeres. "Das Leben selbst ist nicht alles" - würde ihm Lumpen-Künstler Eerdekens beipflichten.