Künstler Gerhard Richter wird 90 Jahre alt

"Ich muss nichts mehr beweisen"

Fotos, Gemälde und Zeichnungen, Spiegel, Skulpturen und Kirchenfenster: Das vielfältige Werk von Gerhard Richter fasziniert weltweit. Nun wird der berühmte Künstler 90 Jahre alt.

Autor/in:
Paula Konersmann
Gerhard Richter / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Gerhard Richter / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

Im Kölner Dom oder im ältesten deutschen Kloster in Tholey: An beiden Orten sind Werke von Gerhard Richter zu bewundern.

Der Künstler, der vor vielen Jahren aus der evangelischen Kirche austrat und sich selbst als "Sympathisanten" der katholischen Kirche beschreibt, verbindet mit diesen Objekten auch den Wunsch, etwas Längerfristiges zu schaffen. Das "Gefühl von Ewigkeit" gebe es in Gotteshäusern eher als in Museen, erklärte er. Am 9. Februar wird Richter 90 Jahre alt.

Geboren 1932 in Dresden, wuchs Richter in der Oberlausitz auf. 1951 begann er ein Studium an der Kunstakademie in Dresden. Als Meisterschüler an der Akademie übernahm er Staatsaufträge der DDR, bevor er 1961 kurz vor dem Mauerbau in den Westen flüchtete. Er setzte sein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf fort, wo er von 1971 bis 1993 als Professor für Malerei tätig war. Seit 1983 lebt er in Köln.

Richter-Fenster im Kölner Dom

Mit der Rheinmetropole verbindet sich auch eines seiner bekanntesten Werke: ein 106 Quadratmeter großes Fenster an der Südseite des Doms, bestehend aus 11.263 bierdeckelgroßen Antikglas-Kacheln. Um die Glasstücke zu mischen, nutzte Richter einen Zufallsgenerator: So gestaltete er eine Hälfte, die sich spiegelbildlich in der anderen wiederholt. Bei der feierlichen Enthüllung 2007 begeisterte das Farbenspiel allerdings nicht jeden: Kardinal Joachim Meisner kritisierte, das Fenster spiegele den christlichen Glauben nicht deutlich genug wider.

Die Sonne strahlt durch das Richter-Fenster im Kölner Dom. / © ND Johnston (shutterstock)
Die Sonne strahlt durch das Richter-Fenster im Kölner Dom. / © ND Johnston ( shutterstock )

Richter selbst sagte, angesichts der Bitte um einen Vorschlag für das Domfenster sei er "erstmal" erschrocken - "und fand die Idee dann sehr, sehr faszinierend". Er sehe sich von der katholischen Kirche "sehr geprägt". Seine abstrakte Gestaltung solle zeigen, dass die Kirche in einer neuen Zeit mit all ihren Schwierigkeiten lebe.

Abstrakte Kunst in kirchlichen Gebäuden

Auch die drei Chorfenster, die Richter vor anderthalb Jahren überraschend der Benediktinerabtei Tholey stiftete, zeigen abstrakte Motive. Sie hätten "natürlich schon mit Gott zu tun, mit dem Wunsch, im Leben einen Sinn zu erkennen, eine Kirche zu bauen", erklärte der Künstler dazu der "Rheinischen Post". Er sehe die Kirche als moralische Grundlage der Gesellschaft, sagte er weiter: "Noch ist sie der bedeutendste Spender von Heil und Trost."

Entwürfe der Richterfenster für die Abtei Tholey / © Julia Steinbrecht (KNA)
Entwürfe der Richterfenster für die Abtei Tholey / © Julia Steinbrecht ( KNA )

2017 schenkte Richter der profanierten Dominikanerkirche in Münster ein Foucaultsches Pendel, mit dem sich die Erdrotation nachweisen lässt. Über diese Installationen hinaus ist der Jubilar berühmt für seine Fotomalereien, auf denen Konturen und Details verschwimmen. Die Farbe "Richter-Grau" ließ er sich patentieren. Ein entscheidender Antrieb für sein Schaffen ist eine grundlegende Skepsis gegenüber dem Medium des Bildes: Viele von Richters Werken, darunter Spiegel, Scheiben oder Farbflächen, werfen die Frage auf, was ein Bild ist und sein kann - und inwieweit sich die Realität überhaupt abbilden lässt.

Maler deutscher Geschichte

Im fortgeschrittenen Alter hat der Künstler mit dem Malen aufgehört und experimentiert nun eher mit Zeichnungen. "Ich muss nichts mehr beweisen", erklärte er dazu einmal. Er arbeite "nicht unkontrolliert", aber auch nicht "mit einem so ausgesprochenen Willen oder Ziel".

Auschwitz-Komitee und Bischofskonferenz gratulieren Gerhard Richter

Das Internationale Auschwitz Komitee hat dem Künstler Gerhard Richter anlässlich seines 90. Geburtstags am 9. Februar 2022 für sein Werk gedankt. Auschwitz-Überlebende seien berührt von Richters "mutiger und hellsichtiger Auseinandersetzung mit seinen und ihren Erinnerungen, Wahrnehmungen und Gefühlen", die in seinen Bildern zum Ausdruck komme, sagte der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner.

Künstler Gerhard Richter 2018 / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Künstler Gerhard Richter 2018 / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

Im vergangenen Herbst überließ er dem Internationalen Auschwitz Komitee dauerhaft eine Edition seines Bilderzyklus "Birkenau" von 2014. Die Farbmalereien ohne Gegenständliches beruhen auf heimlich aufgenommenen Fotos aus dem Vernichtungslager - mutmaßlich den einzigen fotografischen Dokumenten des Holocaust.

Richter sei "auch ein Maler der deutschen Geschichte, aber nie im plakativen Sinne", sagt der Kunsthistoriker Christoph Schreier. Der Künstler selbst bezeichnete Oswiecim als den richtigen Ort, um die Bilder permanent zu zeigen. Auschwitz sei zu einem Symbol für viele Orte des Grauens geworden. Seine Bilder dort zu zeigen, gebe ihm "Trost und auch das Gefühl einer erledigten Aufgabe".

Reihe von Ausstellungen zum 90. Geburtstag

Auf dem Kunstmarkt gelten Richters Werke als die teuersten eines noch lebenden Künstlers. Zum runden Geburtstag gibt es einen Reigen an Ausstellungen: Bis zum 5. Mai sind Zeichnungen aus seiner Hand in München zu sehen, bis zum 25. Juli Landschaftsbilder in Zürich. Eine Schau über seine Künstlerbücher startet am 10. Februar in Berlin.

Quelle:
KNA