Kritik an Stellungnahme des Ethikrats zu Sterbehilfe

Freischein für Beihilfe zum Selbstmord?

Der Nationale Ethikrat hat eine rechtliche Klärung zu Fragen der Sterbehilfe gefordert. In einer Stellungnahme spricht sich ein Teil der Mitglieder zudem dafür aus, dass Ärzten in bestimmten Fällen die Beihilfe zum Selbstmord gestattet und institutionalisierte Beihilfe wie etwa bei der Organisation Dignitas erlaubt sein soll.

 (DR)

Der Nationale Ethikrat hat eine rechtliche Klärung zu Fragen der Sterbehilfe gefordert. In einer Stellungnahme spricht sich ein Teil der Mitglieder zudem dafür aus, dass Ärzten in bestimmten Fällen die Beihilfe zum Selbstmord gestattet und institutionalisierte Beihilfe wie etwa bei der Organisation Dignitas erlaubt sein soll. Aktive Sterbehilfe soll dem Ethikrat zufolge verboten bleiben.
In der 60-seitigen Stellungnahme fordert der Ethikrat Rechtssicherheit für Ärzte, die die Lebensqualität eines Patienten über die maximale Verlängerung seines Lebens stellen. In solchen Fällen, bislang indirekte Sterbehilfe genannt, solle der Arzt keine strafrechtliche Verfolgung fürchten müssen.

Ärzte als Täter?
Uneinig waren sich die Mitglieder des Ethikrates in der Frage der ärztlichen Beihilfe zum Selbstmord. Ein Teil sah darin einen Widerspruch zum ärztlichen Ethos und lehnte es ab, Beihilfe zuzulassen. Andere Mitglieder plädierten für die Möglichkeit zur Beihilfe, etwa indem der Arzt ein tödliches Medikament besorgt, wenn der Wunsch des Patienten zu sterben wohlüberlegt sei und ein unerträgliches Leiden vorliege.

Sonderurlaub für Pflege sterbender Angehöriger
In der Stellungnahme mit dem Titel «Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende» unterstreicht der Ethikrat, dass jeder unheilbar kranke und sterbende Mensch Anspruch darauf hat, unter menschenwürdigen Bedingungen behandelt und gepflegt zu werden. Bei allen Therapien am Lebensende sei der Wille des Betroffenen maßgebend. Der Ethikrat plädiert für rechtliche Möglichkeiten, sich für die Pflege eines sterbenden Angehörigen vorübergehend von der Arbeit frei stellen zu lassen.

Gegner in der Minderheit
Drei Mitglieder des Ethikrates gaben zu der Stellungnahme ein ergänzendes Votum ab. Der katholische Moraltheologe Eberhard Schockenhoff, der katholische Weihbischof Anton Losinger und Peter Radtke von der Arbeitsgemeinschaft Behinderung und Medien machten deutlich, dass sie die ärztliche Beihilfe zum Suizid sowie Suizid-Hilfeorganisationen ablehnen. Zudem werde die Selbstbestimmung des Patienten zu sehr betont, sagte Schockenhoff. Bei so grundlegenden Fragen wie über das Sterben seien die drei Mitglieder außerdem der Auffassung, dass die Mitglieder des Ethikrates namentlich zu ihrer Meinung stehen müssten.

Suizidbeihilfe in organisierter Form
Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff ist stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Ethikrats. Er warnt im KNA-Interview vor einer wachsenden gesellschaftlichen Billigung der aktiven Sterbehilfe. Es gebe eine wachsende Mentalität, schon allein in der Angewiesenheit auf fremde Hilfe etwas Menschenunwürdiges zu sehen, sagte Schockenhoff am Donnerstag. Damit gingen "unter dem Deckmantel der Selbstbestimmung" Forderungen nach einer Legalisierung der "Suizidbeihilfe sogar in organisierter Form" einher.
(epd, KNA, dr)

Christoph Strack berichtet aus Berlin: