Kritik an Konzerten von Roger Waters hält an

"Das Signal ist fatal"

Das Konzert des Sängers Roger Waters in Frankfurt am Main darf laut Gericht stattfinden. Kritik daran kommt auch von der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die für das Konzert in Köln Proteste ankündigt.

Roger Waters, Sänger, Komponist und Mitbegründer der Rockgruppe Pink Floyd, gibt ein Konzert  / © Chris Pizzello/Invision (dpa)
Roger Waters, Sänger, Komponist und Mitbegründer der Rockgruppe Pink Floyd, gibt ein Konzert / © Chris Pizzello/Invision ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Zentralrat der Juden wirft Waters "offenkundige Anlehnung an nationalsozialistische Symbolik" bei seinen Bühnenauftritten vor. Wie haben Sie die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main aufgenommen?

Prof. Dr. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V. (Kölnische Gesellschaft)
Prof. Dr. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V. / ( Kölnische Gesellschaft )

Professor Jürgen Wilhelm (Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit): Ich habe schon am 9. November letzten Jahres darauf aufmerksam gemacht, dass auf die Stadt Köln und alle anderen, die sich um diese Themen kümmern, eine schwierige Zeit zukommen wird. Denn Waters und seine Bühnenaktionen, die er unter Kunstfreiheit subsumiert, sind seit Jahren bekannt. Der Veranstalter, der sich sofort mit einem Anwalt gemeldet hat, meinte, die Verträge seien geschlossen und sie hätten vorher nichts von diesen Äußerungen gewusst.

Entweder handelt es sich hierbei um grobe Naivität oder er lügt schlicht. Zivilrechtlich ist es allerdings so, dass diese Verträge natürlich nur unter der Drohung von Schadensersatz gekündigt werden können. Das muss ich auch leider als Rechtsanwalt akzeptieren. Aber die Situation ist keinesfalls vollkommen überraschend auf die Veranstalter zugekommen.

DOMRADIO.DE: Sie haben es angesprochen, Roger Waters verweist immer auf die sogenannte Kunstfreiheit und sieht sich selbst gar nicht als Antisemit. Das sehen Sie aber ganz anders.

Wilhelm: Ich sehe das ganz anders! Ich möchte hier kein juristisches Hauptseminar abhalten, aber die Würde des Menschen steht natürlich vor allem anderen im Grundgesetz. Kunstfreiheit muss sein, das ist selbstverständlich. Aber sie hat eben auch ihre Grenzen, und zwar da wo die Menschenwürde verletzt wird. Die Aktionen von Waters sind derart widerlich, hetzerisch und auch ganz bewusst in Szene gesetzt.

Prof. Jürgen Wilhelm (Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit)

"Die Kunstfreiheit hat ihre Grenzen an der Menschenwürde derer - ganz besonders in Deutschland -, die sich durch solche Aktionen entsetzt fühlen müssen."

Ich weiß nicht, ob Sie schon Ihren Hörerinnen und Hörern gesagt haben, dass er in seiner Bühnenshow in der Luft ein Schwein inszeniert hat und das abschießen lässt. Das ist eine der ekelhaftesten Darstellungen von Judensau. Also wenn das nicht antisemitisch ist im Jahre 2023, dann habe ich gar nichts verstanden. Die Kunstfreiheit hat ihre Grenzen an der Menschenwürde derer - ganz besonders in Deutschland -, die sich durch solche Aktionen entsetzt fühlen müssen. Da habe ich Verständnis für den Zentralrat der Juden.

DOMRADIO.DE: Was sendet diese eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt Ihrer Meinung nach für ein Signal?

Prof. Jürgen Wilhelm (Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit)

"Wieder ein Tabubruch mehr. Der Antisemitismus wird schnell in der Mitte der Gesellschaft ankommen, wo er sich bei manchen Debatten auch schon befindet."

Wilhelm: Ja, genau das ist es, das Signal, was gesendet wird. Im Grunde genommen, so sagt das Gericht in Frankfurt auch in seinem Beschluss, könne man das als geschmacklos ansehen, aber es verstoße nicht gegen entscheidende Gesetze. Das Signal ist fatal. Denn die Grenze dessen, was man jetzt wieder sagen können wird, berufend auf diesen Beschluss - sollte er bei der nächsten Instanz nicht aufgehoben werden - wird sich natürlich verschieben, wieder ein Tabubruch mehr. Der Antisemitismus wird schnell in der Mitte der Gesellschaft ankommen, wo er sich bei manchen Debatten auch schon befindet.

DOMRADIO.DE: Nun ist auch hier in Köln ein Konzert von Roger Waters geplant, am 9. Mai in der Lanxess Arena. Werden Sie da protestieren?

Wilhem: Absolut. Wir haben uns mit vielen Bürgerinnen und Bürgern zusammengetan und auch die Stadt Köln wird einen Tag vorher durch das NS-Dokumentationszentraum, das KD-Haus, einige Aktionen durchführen. Sie planen Vorträge und anderes - ich weiß nicht ganz genau, was Sie vorhaben - aber auch die Stadt will dort aufmerksam machen. Wir werden einen Protest organisieren. Wir werden das in der kommenden Woche auch der Presse noch einmal ausführlich erläutern. Wir lassen das nicht kommentarlos geschehen, auch wenn das Konzert natürlich selbst von uns nicht boykottiert werden wird. Denn wir wollen keine persönliche Konfrontation mit denen, die da dennoch hingehen wollen.

Das Interview führte Martin Mölder.

Antisemitismus

Antisemitismus nennt man die offen propagierte Abneigung und Feindschaft gegenüber Juden als Volksgruppe oder als Religionsgemeinschaft. Der Begriff wird seit dem 19. Jahrhundert gebraucht, oft als Synonym für eine allgemeine Judenfeindlichkeit. Im Mittelalter wurden Juden für den Kreuzestod Jesu verantwortlich gemacht und als "Gottesmörder" beschuldigt. Während der Kreuzzüge entlud sich die Feindschaft in mörderischen Ausschreitungen, Vertreibungen und Zwangsbekehrungen.

Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler (dpa)
Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
DR