Kristina Schröder liest aus einer Studie mehr als die Autoren

Eine These

Männlich, Macho, Muslim, gewaltbereit. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder beklagt - nicht zum ersten Mal -, dass muslimische Jugendliche gewaltbereiter seien als ihre nicht-muslimischen Altersgenossen. Eine von ihrem Ministerium in Auftrag gegebene Studie solle diese These stützen. Tut sie auch. Irgendwie.

Autor/in:
Veronika Schütz
 (DR)

Am Freitag (26.11.2010) um zehn Uhr versammeln sich zu diesem Zweck zahlreiche Journalisten in Raum 107 des Bundesfamilienministeriums in Berlin. Die Ergebnisse der Studie bildeten die sachliche Grundlage für künftige Lösungsansätze, so die Ministerin. Die beiden Expertisen behandeln Rollenbilder und Gewaltphänomene bei jungen Muslimen in Deutschland.



Einleitend weisen die beteiligten Wissenschaftler darauf hin, dass ausschließlich die Herkunft der Jugendlichen in die Studie mit einfloss, da man über den Zusammenhang von Gewalttaten und Religion - insbesondere dem Islam - zu wenig wisse. Aus entsprechenden Ermittlungsakten der Polizei, die sie eingesehen hätten, gehe dies nicht hervor. Lediglich eine Schülerbefragung des niedersächsischen Kriminologen Christian Pfeiffer habe ergeben, dass junge Muslime gewaltbereiter seien.



Und doch werden auch die neuen Studien seitens der Ministerin als Beleg für eine erhöhte Gewaltbereitschaft der Muslime herangezogen. Schröder stellt die Formel auf: "Eine erhöhte islamische Religiosität korreliert mit einer erhöhten Männlichkeitsrolle, und diese wiederum führt zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft." Allerdings könne man nicht dem Islam als Religion die Schuld dafür geben. Ursachen für die erhöhte Gewaltbereitschaft seien kulturelle und soziale Gründe: mangelnde Bildung, Perspektivlosigkeit, Arbeitslosigkeit und "gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen".



Zahlen werden gefordert, Belege gesucht

Am Ende der Pressekonferenz ist immer noch nicht klar, ob es nun tatsächlich einen Zusammenhang gibt zwischen Gewaltbereitschaft und Religion. Laut Ministerin ja. Sie muss aber nach wenigen Fragen ganz dringend weg. Zu einer namentlichen Abstimmung in den Bundestag.



Die Wissenschaftler bleiben, die Journalisten auch. Es wird nachgefragt, Zahlen werden gefordert, Belege gesucht. Nahezu vergebens. "Wir haben keine belastbaren Zahlen, die diesen Zusammenhang belegen", sagt Erziehungswissenschaftler Ahmet Toprak, Autor einer der Studien. Seine Kollegin Sonja Haug verweist auf die Kurzfristigkeit der aktuellen Studie, die erst am 8. Oktober nach einer Ankündigung der Ministerin in Auftrag gegeben worden sei. In solcher Kürze ließen sich komplexe konkrete Zusammenhänge nicht erheben.



"Vielleicht stimmt das dann alles gar nicht", heißt es aus dem Auditorium. Ob er die Meinung der Ministerin teile? "Vielerorts ja", meint Toprak. "Aber in der Analyse von Studien habe ich dann doch mehr Erfahrung."