Koptischer Bischof sieht Christen und Muslime in Ägypten Seite an Seite

Unter einer Flagge

Die Massenproteste in Ägypten bewirken nach Einschätzung des koptischen Bischofs in Deutschland auch einen Schulterschluss zwischen Muslimen und Christen. Beide seien in der Vergangenheit von der Regierung gegeneinander ausgespielt worden, sagte Anba Damian im Interview mit domradio.de. Präsident Mubarak sei es dabei stets nur um Machterhalt gegangen.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

Die Regierung in Kairo habe verhindert, dass Muslime in Ägypten über politische Ambitionen sprechen konnten. So habe immer die Religion alleine im Vordergrund gestanden. Die koptischen Christen wären eine Art "Blitzableiter" für den dadurch entstandenen Frust gewesen. "Man hat einander die Köpfe einschlagen lassen", so Pater Damian am Freitag (28.01.2011) gegenüber domradio.de. Die Gewalt gegen Kopten - wie jüngst das Attentat von Alexandria - sei ein Produkt dieser Regierungspolitik gewesen.



Nun würden Muslime und Christen gemeinsam für eine neue Regierung kämpfen. "Beide streben nach Menschenrechten und Demokratie." Dabei hofft der vor mehr als 20 Jahren aus Ägypten nach Deutschland ausgewanderte Geistliche auf "ein gutes Ende ohne weitere Gewalt". Grundsätzlich sei das ägyptische ein friedliches Volk, gleichzeitig aber versuche Mubarak einen Wandel zu verhindern. Damian rief die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft auf, das ägyptische Volk bei seinem Kapf zu unterstützen.



Vor den für Freitag angekündigten neuen Protesten wurden in der Nacht zahlreiche Oppositionelle festgenommen worden, darunter auch acht Führer der oppositionellen Muslimbruderschaft. Auch in der Nacht kam es wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gegeben. Außerdem hat die Regierung das Internet blockiert und Freitagsgebete in einigen Moscheen verboten.



Hoffnungen in Mohamed ElBaradei

Angst vor einer möglichen Machtübernahme der islamistischen Muslimbruderschaft in Ägypten hat Bischof Damian nicht. Selbst wenn die geschehe, "die internationale Völkergemeinschaft würde handeln, wenn die neue Regierung nicht vernünftig handelt". Schlimmer als jetzt könne es nicht werden.



Damian setzt große Hoffnungen in Mohamed ElBaradei. Bei einer gemeinsamen Begegnung vor einigen Jahren habe er den langjährigen Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation und Friedensnobelpreisträger von 2005 als einen "Nobelmann" kennen gelernt. Im Land selber genieße er hohes Ansehen. "Es ist die Zeit für ihn gekommen, seine Talente und Fähigkeiten zu zeigen."



Wissenschaftler vergleicht mit Auflösung der Sowjetunion

Angesichts der Toten und Verletzten der vergangenen Tage warnten Bundesregierung und Parlamentarier vor einer Eskalation in Ägypten. Außenminister Guido Westerwelle sagte am Donnerstag im Bundestag, von der friedlichen Revolution in Tunesien gehe eine Botschaft aus, "die auch in Ägypten gehört werden soll". Der Vorsitzende der deutsch-ägyptischen Parlamentariergruppe, Klaus Brandner (SPD), und der Afrikabeauftragte der Kanzlerin, Günter Nooke, forderten von der Bundesregierung ein Zeichen der Solidarität mit den friedlichen Demonstranten.



Zwischen den aktuellen Umsturzbewegungen in Nordafrika und der Auflösung der Sowjetunion vor 20 Jahren gibt es nach Ansicht des Historikers Martin Sabrow erstaunliche Gemeinsamkeiten. Der Professor der Berliner Humboldt-Universität sieht vor allem einen ähnlichen Dominoeffekt bei den beiden Protestwellen.