Kolumbiens Bischöfe gehen auf die FARC zu

Mit ausgestreckter Hand

Mit vorsichtiger Diplomatie und einer ausgestreckten Hand versuchen die katholischen Bischöfe in Kolumbien den gordischen Knoten zu zerschlagen: Nach dem Tod des Rebellenführers Manuel Marulanda startet die Kirche eine diplomatische Offensive, um die neue Führung der "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" (FARC) in der Geiselfrage zum Umdenken zu bewegen und die Gunst der Stunde zu nutzen.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

Den Stein ins Rollen brachte der Präsident der Kolumbianischen Bischofskonferenz (CEC), Erzbischof Luis Augusto Castro Quiroga, der am Wochenende nach jahrelanger Sprachlosigkeit auf die Guerilla zuging. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin «Cambio» äußerte er den «Wunsch», direkt mit dem neuen FARC-Kommandanten Alfonso Cano zu verhandeln: «Wir wollen von Angesicht zu Angesicht mit ihm über ein humanitäres Abkommen sprechen.»

Den Zeitpunkt für seine diplomatische Offensive hat der Erzbischof von Tunja bewusst gewählt. Die FARC steht nach dem Verlust ihrer prominenten Führungsriege innerhalb weniger Wochen vor einer ungewissen Zukunft: «Die FARC erlebt einen schwierigen Moment, aber sie haben zugleich mit der neuen Führung auch eine große Chance», glaubt Castro. Wenige Tage vor dem Tod Marulandas war dessen Stellvertreter Raul Reyes bei einem kolumbianischen Militärangriff ums Leben gekommen. Die Rebellen stehen nun vor einem personellen und ideologischen Neuanfang.

Unterstützung aus Venezuela
Unerwartete Schützenhilfe leistete jetzt auch Venezuelas sozialistischer Staatspräsident Hugo Chavez. «Der Guerillakrieg ist Geschichte», sagte er bei seiner wöchentlichen Fernsehsendung «Alo Presidente» und ging damit erstmals deutlich auf Distanz zur linksorientierten Guerillabewegung. «Zurzeit ist eine bewaffnete Rebellenbewegung in Lateinamerika fehl am Platz», so Chavez. Damit könnten die FARC-Kämpfer ihren bisher wichtigsten Verbündeten verloren haben und scheinen international vollends isoliert.

Chavez, der die sofortige und bedingungslose Freilassung aller FARC-Geiseln forderte, hatte sich in der Vergangenheit mehrfach öffentlich auf die Seite der Guerilla gestellt und damit die kolumbianische Regierung brüskiert. Die jüngsten Chavez-Äußerungen nehmen die kolumbianischen Bischöfe allerdings zurückhaltend zur
Kenntnis: «Wir hoffen, dass dies ein ehrlicher Wunsch ist und nicht nur eine Laune», sagte CEC-Generalsekretär Fabian Marulanda Lopez dem kolumbianischen Radiosender Caracol. Zu frisch sind noch die Erinnerungen an jüngste Meldungen, dass Caracas die FARC finanziell und logistisch unterstützt habe. Die Worte Chavez seien «besonnen und rational», rang sich Marulanda aber doch noch zu einem Lob in Richtung Venezuela durch.

Die Kirche setzt statt öffentlicher Erklärungen auf diskrete Verhandlungen, um eine Lösung für die rund 800 Geiseln der FARC zu finden. Die prominenteste ist die seit über sechs Jahren verschleppte ehemalige kolumbianische Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt. «Die Kirche hat diese Dinge mit großer Diskretion behandelt», sagte Marulanda und kritisierte indirekt den französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy für dessen öffentliches Vorpreschen im Fall der Franko-Kolumbianerin. Im Gegensatz zu einigen Politikern, die stets «publizieren, was sie gerade tun», werde die Kirche stets diskret vorgehen.