In Kolumbien verhärten sich die Fronten im Bürgerkrieg - Präsident Uribe setzt auf "frontalen Kampf"

Gewalt statt "humanitärer Farce"

Die Fronten im kolumbianischen Bürgerkrieg haben sich erneut verhärtet: Präsident Álvaro Uribe plant, Geiseln mit Gewalt zu befreien. Menschenrechtler haben sich entschieden gegen die Pläne ausgesprochen. Zu groß sei die Gefahr, dass Entführte bei staatlichen Befreiungsaktionen ums Leben kommen: "Man darf die Hoffnungen der Angehörigen nicht zerstören, die ihre Lieben gesund zurückhaben wollen und nicht in einem Sarg mit kolumbianischer Fahne."Menschenrechtsgruppen wollen verhandeln, der Präsident nicht mehrDie Familie von Marleny Orjuela kennt das Gefühl, wenn ein naher Verwandter entführt worden ist.

 (DR)

Die Fronten im kolumbianischen Bürgerkrieg haben sich erneut verhärtet: Präsident Álvaro Uribe plant, Geiseln mit Gewalt zu befreien. Menschenrechtler haben sich entschieden gegen die Pläne ausgesprochen. Zu groß sei die Gefahr, dass Entführte bei staatlichen Befreiungsaktionen ums Leben kommen: "Man darf die Hoffnungen der Angehörigen nicht zerstören, die ihre Lieben gesund zurückhaben wollen und nicht in einem Sarg mit kolumbianischer Fahne."

Menschenrechtsgruppen wollen verhandeln, der Präsident nicht mehr
Die Familie von Marleny Orjuela kennt das Gefühl, wenn ein naher Verwandter entführt worden ist. Ihr Cousin, der Polizist Alexander Zambrano, war 1998 von der Guerilla der "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" (FARC) gefangen genommen worden - und kam drei Jahre später frei. Die Menschenrechtlerin ist daher entschieden gegen die Pläne von Präsident Álvaro Uribe, Geiseln mit Gewalt zu befreien.

Doch die Fronten im kolumbianischen Bürgerkrieg haben sich erneut verhärtet. Uribe setzt wieder auf Gewalt. Der Staatschef hat den Rebellen einen "frontalen Kampf" erklärt. Am vergangenen Donnerstag war in der Militärhochschule der Hauptstadt Bogotá eine Autobombe explodiert, 23 Menschen wurden verletzt. Der Anschlag gehe auf das Konto der Aufständischen, erklärte der Präsident und fügte hinzu: "Die Farce des humanitären Austauschs, wie ihn die FARC vorgeschlagen hat, kann so nicht weitergehen."

Doch Marleny Orjuela und zahlreiche weitere Menschenrechtsgruppen setzen sich in Kolumbien weiter für Verhandlungen und einen Austausch von Gefangenen ein. Noch immer befinden sich mindestens 56 Polizisten, Soldaten und Politiker sowie drei US-Söldner in den Händen der FARC. Die Guerilla will die Geiseln gegen inhaftierte Kämpfer austauschen.

Präsidentschaftskandidatin seit 2002 verschleppt
Prominenteste Gefangene ist die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt, die 2002 verschleppt wurde. Ihre Mutter attackierte Uribes jüngste Ankündigung kürzlich als "Todesurteil für die Entführten". Dem Staatschef warf sie vor, eine Verpflichtung zu Gesprächen mit den Rebellen aufzugeben, die er gegenüber den vermittelnden Staaten Frankreich, Spanien und der Schweiz eingegangen war. Der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy machte sich erneut für einen Dialog stark.

Doch Uribe, der Ende September noch die Bereitschaft zu Gefangenenaustausch und Friedensverhandlungen signalisiert hatte, ist wieder auf Kriegskurs eingeschwenkt. Die FARC bezeichnet der seit 2002 amtierende Staatschef wieder als "Terroristen", "Hampelmänner", "Lügner" und hinterhältige "Banditen". Seine Gesprächsbereitschaft in den vergangenen Monaten habe die Armee desorientiert, ohne dass die Guerilla friedenswilliger geworden sei, so Uribe. Die internationale Gemeinschaft solle jetzt "militärische Unterstützung" leisten.

Hilfegesuch an die USA
Zunächst will Uribe die USA davon überzeugen, seine Armee weiterhin mit 700 Millionen US-Dollar im Jahr zu unterstützen. Doch im US-Kongress wächst der Widerstand. Kolumbiens hochgerüstete Armee ist durch Skandale in Verruf geraten. Eine Entmachtung der rechten Paramilitärs steht eben so wenig bevor wie ein Sieg über die Guerilla. Trotz eines aufwendigen "Antidrogenkrieges" wird so viel Kokain in die USA exportiert wie eh und je.

Auch die Kolumbianer sind skeptisch. Generalstaatsanwalt Mario Iguarán erklärte, für die Urheberschaft der FARC an dem Anschlag in der Militärhochschule habe er bislang keine Beweise. Für den linken Senator Gustavo Petro kommen Paramilitärs als Täter ebenso in Frage wie korrupte Offiziere oder eine Gruppe der FARC. Und Ex-General Manuel José Bonett wies darauf hin, wie schwierig erfolgreiche Geiselbefreiungen sind.
(epd)