Kolbe-Werk will so lange wie möglich NS-Überlebenden helfen

Für die letzten Zeitzeugen

Die Hilfsorganisation Maximilian-Kolbe-Werk feiert im Herbst das 50-jährige Bestehen. Mittelfristig wird der Auftrag für NS-Überlebende aber enden. Eine Stiftung steht bereit, um die Versöhnungsarbeit auf neuen Feldern fortzuführen.

Autor/in:
Volker Hasenauer
Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau / © Rolf E. Staerk (shutterstock)
Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau / © Rolf E. Staerk ( shutterstock )

"Mein Leben war ein Kampf, um zu überleben", sagt Mietek Grochowski. Als Kind überstand der heute 84-Jährige das NS-Arbeitslager im polnischen Potulitz. Und berichtet bis heute Schülern und jungen Erwachsenen von den Grauen und Verbrechen der Nationalsozialisten.

Zuletzt im Kloster Jakobsberg bei Bingen. "Fragt uns, wir sind die Letzten...", ist die Reihe überschrieben - organisiert vom Maximilian-Kolbe-Werk.

Katholikinnen und Katholiken gründeten die Hilfsorganisation vor genau 50 Jahren. Zunächst als Projekt der deutsch-polnischen Versöhnung.

Organisation steht vor Richtungsentscheidungen

Später auch für Überlebende in der Ukraine und weiteren osteuropäischen Staaten. Daran erinnert im Herbst ein Festakt in Berlin. Die Post veröffentlicht als Würdigung eine Sonderbriefmarke.

Gleichzeitig steht die Organisation vor Richtungsentscheidungen. Denn schon bald werden die letzten Zeitzeugen sterben.

Noch unterstützt die Hilfsorganisation jährlich rund 5.000 hochbetagte NS-Überlebende. Aber wann und wie sollen die finanziellen Hilfen enden?

Falsche Spekulationen über Auflösung alarmierten Spender

Wie können Projekte der Erinnerungsarbeit weitergehen? Und lassen sich die Erfahrungen auf andere Felder der Versöhnungsarbeit übertragen?

"Unsere wichtigste Aufgabe ist es, den Überlebenden des NS-Terrors solange zu helfen, wie sie am Leben sind. Diese Zusage werden wir einhalten", sagt der Präsident des Kolbe-Werks, der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Weiß.

Margret und Werner Müller widmen sich seit 30 Jahren der Versöhnungsarbeit des Maximilian-Kolbe-Werkes
Margret und Werner Müller widmen sich seit 30 Jahren der Versöhnungsarbeit des Maximilian-Kolbe-Werkes

"Von daher ist es völlig unangebracht, darüber zu spekulieren, dass wir kurz vor einer Auflösung stehen." Zuletzt hatten entsprechende Medienberichte für Unruhe gesorgt.

Spender riefen alarmiert in der Freiburger Geschäftsstelle an und fragten, ob ihre Zuwendungen noch gebraucht würden.

Geschäftsführer Christoph Kulessa wirbt um Vertrauen und erläutert, dass wegen des Ukraine-Kriegs die Hilfen sogar ausgeweitet wurden.

2022 wandte die Organisation für Hilfen und Bildungsprojekte 1,58 Millionen Euro auf; 2021 waren es 1,47 Millionen Euro. Vor allem finanziert aus Spenden.

Gleichzeitig laufen seit längerem die Planungen für die Zukunft nach einem Ende der Überlebenden-Hilfen. Schon 2007 gründete die Mitgliederversammlung des Kolbe-Werks die Kolbe-Stiftung.

Grundstock waren rund 1,4 Millionen Euro Kirchenmittel aus einem nicht vollständig aufgebrauchten Zwangsarbeiter-Hilfsfonds. Zuschüsse kamen auch von der polnischen Bischofskonferenz.

Konflikt ist nun faktisch überwunden

Statt die Gelder direkt an das Werk zu geben, was damals einige im Kolbe-Werk befürworteten, entschied sich die Versammlung - vor allem auch auf Vorschlag der Bischofskonferenz als Geldgeber - für einen neuen rechtlichen Rahmen als Stiftung.

So sollte klar werden, dass die Stiftung bereit steht, das Erbe der Versöhnungsarbeit in anderer Weise und auf anderen Feldern fortzuführen.

KZ-Überlebender Leon Weintraub erzählt am 25. Januar 2015 in einem Begegnungszentrum im polnischen Oświęcim von seiner Zeit im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Journalisten aus mehreren Nationen haben vom 22. bis 28. Januar 2015 an einer internationalen Begegnung des Maximilian-Kolbe-Werks in Auschwitz teilgenommen / © Harald Oppitz (KNA)
KZ-Überlebender Leon Weintraub erzählt am 25. Januar 2015 in einem Begegnungszentrum im polnischen Oświęcim von seiner Zeit im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Journalisten aus mehreren Nationen haben vom 22. bis 28. Januar 2015 an einer internationalen Begegnung des Maximilian-Kolbe-Werks in Auschwitz teilgenommen / © Harald Oppitz ( KNA )

Vor allem der damalige Kolbe-Werk-Geschäftsführer Wolfgang Gerstner konnte diesen Plänen nichts abgewinnen. Obwohl er zunächst in Personalunion auch Stiftungsgeschäftsführer war.

Er fürchtete, die Stiftung wolle das Werk abwickeln. Nach langen Querelen erhielt Gerstner 2017 einen Aufhebungsvertrag - mit Verschwiegenheitspflicht, wie die heute Verantwortlichen bei Werk und Stiftung betonen.

Der Konflikt ist nun faktisch überwunden. Die Weichen sind gestellt. Weiß steht an der Spitze von Werk und Stiftung, der Pax-Christi-Bundesvorsitzende Gerold König sitzt in beiden Vorständen.

Andererseits wirken die Differenzen nach. Ein Insider sagt beispielsweise, es hätte keine Stiftung gebraucht. Das Werk hätte einfach seine Aufgaben zu einem guten Ende bringen sollen.

Die Stiftungsverantwortlichen entgegnen, dass mit Versöhnungstreffen auf dem Balkan und gemeinsamen Seminaren mit Offizieren aus Frankreich, Deutschland und Polen neue Vorzeigeprojekte entstanden sind. Kritiker wenden ein, es habe zu wenige Stiftungs-Initiativen gegeben.

Nach jetzigem Planungsstand wollen Stiftung und Werk ab 2026 eine gemeinsame neue Geschäftsstelle in Berlin aufbauen. Dann soll auch Kolbe-Werk-Geschäftsführer Kulessa in den Ruhestand gehen. Und von Stiftungsseite heißt es: "Die Perspektive ist eindeutig. Die Stiftung ist die Zukunft."

Maximilian-Kolbe-Werk

Die katholische Hilfsorganisation Maximilian-Kolbe-Werk setzt sich für Überlebende der nationalsozialistischen Konzentrationslager und Ghettos in den Staaten Ost- und Mitteleuropas ein. Neben finanzieller Hilfe organisiert das 1973 gegründete Hilfswerk Erholungs- und Kuraufenthalte in Deutschland und in den Herkunftsländern der Überlebenden.

Statue von Maximilian Kolbe in einer Kirche in Ravenna / © GoneWithTheWind (shutterstock)
Statue von Maximilian Kolbe in einer Kirche in Ravenna / © GoneWithTheWind ( shutterstock )
Quelle:
KNA