DOMRADIO.DE: Bei der Vorstellung des neuen Mainzer Weihbischofs Joshy George Pottackal hieß es, in der Kirche gibt es keine Fremden. Trotzdem war es vergangene Woche eine Meldung gewesen, die sehr viele überrascht und für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Sie sind selbst in Neuss aufgewachsen, wurden aber in Sri Lanka geboren. Was war Ihr erster Gedanke zum neuen Weihbischof?
Pfarrer Regamy Thillainathan (Regens des Erzbischöflichen Priesterseminars Köln): Ich habe mich sehr gefreut, dass Pater Joshy diese Aufgabe anvertraut worden ist. Für mich ist klar, dass nicht seine Migrationsgeschichte entscheidend war, sondern dass er ein bescheidener, menschenfreundlicher Priester mit viel Kompetenz ist. Es handelt sich also zunächst um eine ganz normale Ernennung. Zugleich zeigt sich, dass hier ein neuer Weg sichtbar wird, weil mit ihm erstmals ein Mensch mit einer solchen Biografie in dieses Amt berufen wurde.
DOMRADIO.DE: Papst Leo XIV. war als US-Bischof Prevost Teil der Bischofskonferenz in Peru. Die skandinavischen Bischöfe kommen zum Teil aus Osteuropa. Und viele deutsche Bischöfe wiederum sind als Missionare in Südamerika im Einsatz. Warum scheint es aber doch eine unerwartete, überraschende Meldung zu sein, dass das jetzt auch in Deutschland so ist?
Thillainathan: Seit Jahren hören wir von Priestern aus der Weltkirche, die hierherkommen und sich selbst als Missionare verstehen. Das entspricht der weltweiten Entwicklung. Über viele Jahrzehnte gingen europäische Missionare in den globalen Süden und wurden dort zu Bischöfen. Nun erleben wir eine Bewegung, die in die andere Richtung führt. Priester aus dem globalen Süden kommen nach Europa, bleiben hier und übernehmen Verantwortung.
DOMRADIO.DE: Wie erklären Sie sich das?
Thillainathan: Wir stehen kirchlich wie gesellschaftlich in einem Prozess, in dem wir neu erkennen, dass wir keine Fremden unter uns haben. Viele Priester mit internationaler Biografie sind in ihrem Selbstverständnis längst hier zu Hause. Sie finden hier ihren Lebensort und sehen ihre Zukunft in unseren Gemeinden. Dieser Umbruch hat sich lange angekündigt und ist nun Realität geworden.
DOMRADIO.DE: Im Erzbistum Köln spricht man von ungefähr einem Fünftel Katholiken, die anderer Muttersprache sind. Das ist ja schon ein beträchtlicher Anteil der Identität des katholischen Lebens bei uns. Wird das noch zu wenig wahrgenommen?
Thillainathan: In Deutschland denken wir stark in Strukturen. Aus guter Absicht wurden eigene muttersprachliche Missionen errichtet, damit Menschen ihre Sprache und Kultur bewahren können. Diese Gemeinden haben vielen Gläubigen eine wichtige geistliche Heimat geschenkt, und ich schätze ihre Arbeit sehr.
Gleichzeitig müssen wir heute prüfen, ob diese Strukturen noch zur Lebenswirklichkeit der Menschen passen. Im Laufe der Zeit haben sich parallele kirchliche Welten entwickelt. Das zeigt sich etwa daran, dass wir in Gremien über die Zahl der Vertreterinnen und Vertreter muttersprachlicher Gemeinden debattieren. Schon diese Diskussion macht sichtbar, dass wir Unterschiede machen, die so nicht mehr selbstverständlich tragen.
Viele junge Menschen, auch in meiner eigenen Familie, fühlen sich beiden Bereichen verbunden, doch ihr tatsächlicher Alltag spielt sich meist in der deutschen Pfarrgemeinde vor Ort ab. Genau hier beginnt die Aufgabe, unsere Strukturen weiterzuentwickeln.
DOMRADIO.DE: Es ist ist eine bewusste Entscheidung vom Papst gewesen, Pater Joshy zum Weihbischof zu ernennen. Das sind nun die ersten Personalentscheidungen, die vom Papst auch auf weltkirchlicher Ebene getroffen werden. Sehen Sie darin ein Zeichen an die Nationalkirchen?
Thillainathan: Dieser Papst ist geprägt von einem missionarischen Weg. Er hat Menschen begleitet, die sich senden ließen, und ist selbst in andere Lebenswirklichkeiten eingetaucht. Ich hoffe, dass diese Erfahrung auch sein Handeln als Hirte der Weltkirche bestimmt und dass seine Entscheidungsfreude für viele Ortskirchen ein Impuls wird, vielfältiger und weltkirchlicher zu denken.
DOMRADIO.DE: Sie haben Wurzeln in Sri Lanka. Sie haben also selbst die Erfahrung gemacht, wie es ist, anders auszusehen als die Menschen hier in Deutschland. Pater Joshy wird als Weihbischof nun mehr noch im Rampenlicht stehen als zuvor. Was wird auf ihn zukommen?
Thillainathan: Die besondere Herausforderung besteht darin, dass Menschen mit einer anderen äußeren Erscheinung oder mit einer anderen kulturellen Prägung oft anfangs unterschätzt werden. Das ist zumindest meine eigene Erfahrung. Oft gehen Menschen zunächst davon aus, jemand mit einer anderen Herkunft bringe andere oder geringere Voraussetzungen mit.
Das kann anstrengend sein. Ich musste lernen, mich nicht dazu drängen zu lassen, mich ständig beweisen zu wollen. Ich weiß, wer ich bin, kenne meine Talente und auch meine Schwächen. Diese innere Freiheit braucht es, um Verantwortung zu übernehmen.
Es geht nicht darum, besser zu sein, sondern den eigenen Dienst verlässlich und mit Hingabe zu erfüllen. Manche Vorbehalte treten offen zutage, andere eher verdeckt. Aber am Ende werden die Menschen erkennen, wer Pater Joshy ist und wie er seinen Dienst lebt. Dann wird deutlich werden, dass nicht seine Herkunft entscheidend ist, sondern seine Person.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.