Kölner Kirche Sankt Gertrud lädt unter rare Taut-Kuppel ein

Synthese von Architektur und Expressionismus

In der Kultur-Kirche St. Gertrud in Köln können sich Besucher anhand eines Nachbaus einen Eindruck von der Bauweise und Geometrie der Kuppelkonstruktion des Architekten Bruno Taut verschaffen. Diese gilt als Paradebau der Frühmoderne.

Taut-Pavillon in St. Gertrud / © Matthias Weber (privat)
Taut-Pavillon in St. Gertrud / © Matthias Weber ( privat )

Ende November und Anfang Dezember ist ein Nachbau des gläsernen Aufsatzes des Taut-Pavillons zu sehen, der 1914 auf der Werkbundausstellung in Köln-Deutz als Ausstellungsgebäude diente, wie der Kölner Architekt Matthias Weber dem Evangelischen Pressedienst (epd) erläuterte.

Kirche Sankt Gertrud in Köln / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kirche Sankt Gertrud in Köln / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Obwohl das ursprüngliches Glashaus mit Metallstreben von Bruno Taut (1880-1938) nach nur zwei Monaten mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges geschlossen wurde, habe es als erstrangiges Beispiel der frühen Moderne Einzug in die Architekturgeschichte gehalten.

Architektonisches Destillat der Original-Kuppel aus dem Jahr 1914

Die von Weber als Holzkonstruktion in Elementbauweise nachgebaute Kuppel versteht sich als ein Destillat aus der Originalarchitektur Tauts.

Geometrisch genau werde die Rautenstruktur der zwiebelförmigen und in sich leicht gedrehten Kuppel zitiert, erklärte Weber.

Der Kölner Architekt errichtete die Konstruktion im Maßstab 1:1,8 aus über 450 Meter Holzprofilen. Der Nachbau erreicht eine Höhe von 5,6 Metern und einen Durchmesser von sechs Metern.

Deutsche Architekturgeschichte trifft auf expressives Bauen

Durch die Rekonstruktion des Taut-Pavillons in einer Kirche des Architekten Gottfried Böhm (1920-2021) träfen Protagonisten der deutschen Architekturgeschichte und Akteure des expressiven Bauens aufeinander, unterstrich Weber.

Innenraum der Kirche Sankt Gertrud in Köln / © Julia Steinbrecht (KNA)
Innenraum der Kirche Sankt Gertrud in Köln / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Nach über 100 Jahren kehre Taut nach Köln zurück, und seine berühmte Kuppelstruktur sei erstmals wieder am Rhein erlebbar.

Die originale gläserne Kuppel hatte Taut mit dem Architekturbüro Taut und Hoffmann für den Pavillon der Glasindustrie auf der Kölner Werkbundausstellung im Stadtteil Deutz im Jahr 1914 entworfen.

Traut führte ein Leben der steten Wanderschaft

Das sogenannte Glashaus wurde nach dem Ausstellungsende nach nur wenigen Monaten Standzeit abgerissen. Doch der Entwurf machte Bruno Taut und seine beiden Partner, seinen Bruder Max Taut und Franz Hoffmann, kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs international berühmt.

Taut verweigerte den Kriegsdienst und übernahm die Bauleitung einer Pulverfabrik in Brandenburg. In den 1920er Jahren entwarf er große Wohnsiedlungen wie die Hufeisen-Siedlung in Berlin-Britz und die Siedlung der Hohenlohenwerke in Kattowitz.

Kirche Sankt Gertrud in Köln / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kirche Sankt Gertrud in Köln / © Julia Steinbrecht ( KNA )

1930 wurde Taut an die Technische Hochschule Berlin als Honorarprofessor für Siedlungs- und Wohnungswesen berufen. 1932 ging er für ein Jahr nach Moskau, wo er für die Stadtverwaltung ein Bürogebäude errichtete.

Während des Nationalsozialismus fand Taut keine Arbeitsmöglichkeiten mehr in Deutschland und migrierte nach Japan und später in die Türkei, wo er in Istanbul an der Akademie der Künste lehrte. Tauts Grab befindet sich auf dem Ehrenfriedhof des türkischen Staates in Istanbul.

Die Kölner Architektenfamilie Böhm

Der verstorbene Gottfried Böhm gehörte zur Architekten-Familie Böhm. Dominikus Böhm (1880-1955) war der Stammvater einer regelrechten Architektenfamilie, vergleichbar einer mittelalterlichen Bauschule.

Gottfried Böhm: Einziger deutscher Träger des Pritzker-Preises, dem "Nobelpreis für Architekten"  (KNA)
Gottfried Böhm: Einziger deutscher Träger des Pritzker-Preises, dem "Nobelpreis für Architekten" / ( KNA )
Quelle:
epd