DOMRADIO.DE: Zunächst einmal zur Veranstaltung an diesem Dienstagabend in der Kölner Kirche St. Aposteln um 19 Uhr. Was haben die Pfarrer vor 80 und mehr Jahren denn so aufgeschrieben?

Dr. Dominik Meiering (Leitender Pfarrer der Kölner Innenstadtgemeinden und Domkapitular am Kölner Dom): Es ist ganz toll, was da an Texten zu hören sein wird. Ich kannte die Texte selbst nicht. Joachim Oepen, der Leiter des Historischen Archivs des Erzbistums Köln hat sie ausgegraben. Die Pfarrer mussten immer eine Art Tagebuch schreiben, nicht nur für sich, sondern für die Pfarrei. Diese Texte sind im Historischen Archiv, Oepen hat sie ausgegraben und dabei fantastische Texte gefunden.
Die meisten Kölner Pfarrer haben Köln nicht verlassen, selbst als der Bombenhagel niederging. Sie wollten vielmehr bei ihrer Gemeinde bleiben. Dabei kamen dann Texte zustande, wie zum Beispiel dieser: "Gegen 1.15 Uhr weckte die Sirene die Kölner Bevölkerung aus dem Schlaf. Eine Viertelstunde später setzte schon das Abwehrfeuer der Flak ein. Jeder spürte, dass nun ein Großangriff auf Köln erfolgen würde. Bald zischten und krachten auch schon die ersten Bomben. Vor Todesangst zitternd standen wir im Luftschutzkeller und flehten den Allmächtigen um Hilfe an" und so weiter. Es sind also sehr dramatische Beschreibungen – vor allen Dingen aus dieser Peter- und Paulnacht 1943.
DOMRADIO.DE: Warum hat es so lange gedauert, diese Pfarrchroniken zu durchforsten?
Meiering: Die liegen schon länger vor, aber wir sind erst jetzt auf die literarische und historische Qualität dieser Pfarrchroniken gestoßen. Wir haben gedacht, daraus müssen wir eine Veranstaltung machen. Wir haben einen fantastischen Sprecher, Reinhard Pede, der das machen wird. Andie Ruster ist auch dabei, er wird auf einem präparierten Flügel improvisieren. Das heißt, in dem Flügel ist Alufolie ausgelegt und dadurch klingt der Flügel ganz verändert und klirrend.

Wir werden auch unveröffentlichtes Bildmaterial sehen. Es wird spannend sein, mal den brennenden Kirchturm von Aposteln oder die brennende Kirche St. Pantaleon zu sehen. Man hatte damals anderes zu tun, als Bilder zu machen, aber es gibt doch ein paar Bilder. Ich freue mich sehr auf einen sehr schönen Abend.
DOMRADIO.DE: Warum ist es Ihnen wichtig, jetzt auf diese Zeit zu gucken?
Meiering: Das Kriegsende ist nun 80 Jahre her. Wir haben diese Kirchen in den vergangenen Jahrzehnten mit großer Mühe wieder aufgebaut. Nicht zuletzt der Förderverein Romanische Kirchen hat dazu in den letzten 40 Jahren einen großen Beitrag geleistet, aber auch die ganze Generation, die nach dem Krieg Hand angelegt hat.
Wir wissen, dass einzelne Menschen aus den Pfarreien gar nicht in die Luftschutzkeller gegangen sind, sondern auf den Dächern der Kirchen Wache gehalten haben. Sie haben, wenn Brandbomben runtergegangen sind, diese Brandbomben von den Dächern runtergeworfen. Nicht wenige sind dabei ums Leben gekommen. Sie wollten dieses kostbare Kulturgut retten und erhalten.

Genau das ist natürlich auch unser Ziel heute. Wir wollen unsere romanischen Kirchen, aber weit darüber hinaus auch die 26 Innenstadtkirchen, die wir haben, erhalten und zugänglich machen. Wir verbinden diese Veranstaltung am Abend deshalb auch mit der Werbung für Menschen, die bereit sind, beim sogenannten Kirchenempfang mitzumachen und bereit zu stehen, dass wir unsere Kirchen öffnen können, Menschen willkommen geheißen werden und dass sie über das informiert werden, was wir an Schätzen haben.
DOMRADIO.DE: Damit diese Kirchen offen sein können, gibt es ehrenamtliche Mitarbeiter wie Hans-Otto Brinkkötter. Sie passen auf Sankt Aposteln auf. Ein Dankeschön dafür.
Hans-Otto Brinkköter (Ehrenamtlicher Mitarbeiter der Kölner Innenstadtgemeinden): Ja, sehr gerne. Seit einem guten Jahr bin ich hier in Sankt Aposteln im Empfangsdienst tätig, einmal in der Woche, jeweils freitags von 14.30 Uhr bis 17 Uhr. Ich bin überrascht, wie viele Gäste aus aller Welt immer wieder den Weg in die Kirche finden. Ich glaube, es gibt kein Land, das ich in den letzten zwölf Monaten nicht hier begrüßen konnte.
Ich habe das Talent, dass ich ein paar Fremdsprachen beherrsche. Dann freuen sich die Gäste, wenn sie hier von mir empfangen werden und ich sie meistens ganz einfach anspreche und frage, wie ich ihnen behilflich sein kann. Manche sagen, sie wollen nur eine Kerze anzünden und gehen gleich wieder raus.
Wenn Jugendliche kommen, dann kann ich ihnen zeigen, wie die Kirche entstanden ist und weise darauf hin, dass der Dom zwar schon im Jahre 1248 gegründet wurde, aber Sankt Aposteln da bereits bereits 200 Jahre alt und schon einmal abgebrannt war. So erzähle ich den Jugendlichen – oder wem auch immer – angepasst eine entsprechende Geschichte.

DOMRADIO.DE: Was erleben Sie jenseits der Fragen?
Brinkköter: Die Geschichten haben eine große Bandbreite. Manchmal werde ich nur ganz simpel gefragt, ob es hier eine Toilette gibt. Andere Fragen, das sind schon schwieriger, zum Beispiel was denn originale Sachen in dieser Kirche sind. Diese Frage kann ich in der Tat nicht beantworten. Es ist nur sehr wenig original, abgesehen von dem Grundriss.
Aber angesprochen auf Kriegsschäden weise ich darauf hin, dass am Eingang gleich rechts oben noch ein altes Mosaik zu sehen ist. Ein Mosaik, das vor der Kriegszerstörung den Hochchor ausgeschmückt hatte. Diese Mosaiksteine wurden aus den Trümmern geborgen und können ein Bild vermitteln, wie die Kirche vor der Kriegszerstörung aussah.
Meiering: Diese Dinge würde man normalerweise gar nicht so wahrnehmen. Die Leute kommen in die Kirche und stehen da. Aber dadurch, dass wir einen solchen Empfangsdienst haben, bieten wir die Möglichkeit, die Kirchen sprechen zu lassen. Wir haben einen Kirchenempfang, der nicht nur das freundliche Gesicht der Kirche ist, sondern auch Informationen gibt oder der angesprochen werden kann, der auch ein bisschen für Ordnung und Sauberkeit sorgt.
Es ist zum Beispiel Gold wert, wenn jemand da ist, der einem davon erzählen kann, dass zum Beispiel ein Mosaik noch da ist, das man normalerweise gar nicht sehen würde, das noch von der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg erzählt.
Deshalb werben wir dafür, dass wir noch mehr Menschen finden, die bereit sind, einen solchen Kirchenempfangsdienst zu machen. Wir haben 200 Menschen, die in unseren elf romanischen Kirchen diesen Dienst tun. Wir bräuchten aber eigentlich 300 und wir suchen noch weitere so rüstige Rentner, wie Hans-Otto Brinkkötter, die sagen, einmal die Woche für zwei Stunden setze ich mich in die Kirche und mache diesen schönen Dienst.
Ich kann sagen, dass alle, die diesen Dienst machen, auch begeistert davon sind, weil sie sagen, es sei eine solche Bereicherung für sie, diese Menschen zu erleben, die hier herkommen.
DOMRADIO.DE: Das heißt, wenn man sich dafür entscheidet, zu diesem Kirchenempfangsdienst zu gehören, muss man auch etwas über die Kirchen wissen. Dafür wird man geschult, oder?
Meiering: Richtig, und zwar in allen Dingen. Wie geht man mit schwierigen Personen um? Was ist das für eine Kirche? Was kann man hier entdecken? Wie sagt man den Leuten auf freundliche Art und Weise "Guten Tag", ohne aufdringlich zu sein und dergleichen mehr.
Man hat in der ersten Phase die Möglichkeit zu überlegen, in welche Kirche man gehen möchte. In der zweiten Phase würde man hospitieren. Man lernt das Team des jeweiligen Kirchortes kennen und kann zwei oder drei Stunden mit jemandem verbringen, der das schon lange Zeit macht.
Ich habe noch keinen erlebt, der anschließend gesagt hat, jetzt will man doch nicht mehr. Im Gegenteil, die haben alle gesagt, dass es Spaß macht. Beim letzten Mal, als wir so eine Kampagne gemacht und dafür geworben haben, sind rund 80 Leute neu dazugekommen.
Wir müssen alle paar Jahre wieder dafür werben, dass neue Menschen bereit sind, diesen Dienst zu übernehmen. Jetzt haben Sie in dieser Woche am Freitagabend um 17.30 Uhr und am Samstagmittag um 14 Uhr die Möglichkeit, einfach in die St. Aposteln-Aula zu kommen und sich informieren zu lassen. Oder man kann sich per Mail bei uns melden, wir vermitteln das weiter. Ich freue mich über jeden, der Lust hat mitzumachen.
DOMRADIO.DE: Herr Brinkkötter, sind Sie am Abend bei der Veranstaltung in der Aula Ihrer Kirche St. Aposteln dabei?
Brinkköter: Ja, natürlich. Diese Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen. Denn nachdem ich das jetzt ein Jahr mache, fühlt man sich verbunden, und das gibt einem auch persönlich etwas. Auch wenn man dort nur zweieinhalb Stunden mit diesen Gästen im Kontakt ist, es ist immer wieder eine Bereicherung, die Kontakte mit den Besuchern aus aller Welt zu finden.
Ich erinnere mich noch an letztes Jahr, als die Fußball-Europameisterschaft war, als die Schotten kamen und sich dort niederließen und sich über den Besuch hinaus auch darüber freuten, begrüßt zu werden.
Das Interview führte Heike Sicconi.